Herbst, Sebastian

Musizieren – grundrechtlich geschützt

Kommentar

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 1/2019 , musikschule )) DIREKT, Seite 01

Immer dann, wenn es ums Musizieren und Unterrichten in den eigenen vier Wänden geht, kann es zu Schwierigkeiten und Streitigkeiten mit Nachbarinnen und Nachbarn kommen. Aber welche BerufsmusikerInnen oder Lehrkräfte können schon bei den geringen Konzert- und Unterrichts­honoraren externe schallisolierte Übe- und Unterrichtsräume ­anmieten? Was bliebe dann vom Honorar noch übrig?

Streitigkeiten dieser Art beschäftigten am 26. Oktober 2018 auch den Bundesgerichtshof. Die BewohnerInnen eines Reihenhauses wollten ­erreichen, dass das Trompetenspiel und Unterrichten ihres Nachbarn nicht mehr im eigenen Haus zu hören ist. Das Urteil stellte klar, dass in Abhängigkeit von der „Lästigkeit der Geräusche“, die beispielsweise durch „Tonleitern, abrupte Pausen, Wiederholungen und Fehler“ ent­stehen und die das Üben und Unterrichten nun einmal mit sich bringt, auch dieser Trompeter selbstverständlich weiterhin in seinen heimischen vier Wänden unterrichten und musizieren darf.

Allerdings werden dem Berufsmusiker dabei nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte als Hobbymusikern eingeräumt. Es liegt also auf der Hand, dass der zeitliche Umfang sicher nicht genügen kann, um mit einer Unterrichtstätigkeit ausreichend Geld zu verdienen.

Interessant ist aber die Urteilsbegründung. So heißt es: „Das häusliche Musizieren – einschließlich des dazugehörigen Übens – gehört zu den ­sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung.“ Es „ist gerade deshalb in gewissen Grenzen hinzunehmen, weil es einen ­wesentlichen Teil des Lebensinhalts bilden kann und von erheblicher ­Bedeutung für die Lebensfreude sein kann; es gehört – wie viele andere übliche ­Freizeitbeschäftigungen – zu der grundrechtlich geschützten ­freien ­Entfaltung der Persönlichkeit“.

Diese Urteilsbegründung bestätigt noch einmal den Wert unserer täg­lichen Arbeit, in der wir unsere SchülerInnen bei ihrer grundrechtlich ­geschützten freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit begleiten und unterstützen. Und das sollte auch als Leitgedanke für das heimische Üben ­unserer SchülerInnen gelten, von dem sich Familienangehörige und Mit­bewohnerInnen durchaus wegen „lästiger Geräusche“ gestört fühlen können. Austausch, Verständnis und Kompromisse auf beiden ­Seiten sind aber sicher ebenso gefragt – dann klappt’s auch mit dem Nachbar!