Hartogh, Theo / Hans Hermann Wickel

Musizieren im Alter

Arbeitsfelder und Methoden

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2008
erschienen in: üben & musizieren 1/2009 , Seite 54

Literatur zum Thema „Musik im späten Erwachsenenalter“ ist trotz des demografischen Wandels und seiner Probleme bislang spärlich. In der „Wiesbadener Erklärung“ des Deutschen Musikrats aus dem Jahr 2007 wird der Ausbau musikalischer Angebote, die sich gezielt an ältere Menschen wenden, dringend angemahnt. So ist es sehr erfreulich, dass nun ein Studienbuch erschienen ist, das nicht nur aktuelle Forschungsergebnisse zusammenfasst, sondern auch didaktische Überlegungen, Anregungen und Beispiele für den Einstieg in die musikalische Arbeit mit Menschen im dritten und vierten Lebensalter enthält.
Theo Hartogh und Hans Hermann Wickel liefern einen Überblick über Grundlagen, Arbeitsfelder, Prinzipien, Methoden, Institutionen und offene Fragen der Musikgeragogik. Musikgeragogik ist die Disziplin im Schnittfeld von Musikpädagogik und Geragogik, die sich mit musikbezogenen Vermittlungs- und Aneignungsprozessen sowie musikalischer Bildung im Alter beschäftigt. Das Alter wird aus musikgeragogischer Sicht als Bildungsherausforderung gesehen. Nicht altersbedingte Defizite, sondern Kompetenzen und Ressourcen älterer Menschen stehen im Zentrum.
Die Autoren plädieren nachdrück­lich dafür, auch älteren Menschen (sowohl jung gebliebenen, als auch „alten“) Erfahrungen mit Musik zu ermöglichen. Das Spektrum musikalischer Aktivitäten ist weit und reicht vom Unterricht für leistungsfähige Senioren bis hin zu elementarem Musizieren in Pflegeeinrichtungen, Musik mit Demenzkranken oder in der Sterbebegleitung. Ziel sei prinzipiell nicht die musikalische Leistung, sondern das persönliche musikalische Erleben und Verstehen. Hartogh und Wickel geben deshalb kein allgemeingültiges Curriculum vor, sondern betonen das Recht auf eine selbstbestimmte musikalische Bildung. Die Wirkung von Musik hänge von persönlichen musikalischen Vorlieben und Vorerfahrungen ab; auch der situative Kontext sei wichtig. „Die Qualität von Musikalität wird allein durch das individuelle Erleben eines jeden Menschen bestimmt.“ Dabei zeige die Praxis deutlich, dass musikalische Aktivitäten die Lebenszufriedenheit steigern können.
In acht Kapiteln werden folgende Themenbereiche behandelt: Altwerden und Altsein heute; Musik im höheren Lebensalter (Musikalität, Wirkungen und Bedeutung von Musik); Prinzipien und Haltungen in der Musikgeragogik; Musik, Gesundheit und Krankheit/Krisen; Institutionen; Musikalische Aktivitäten (Singen, Mitspielen, Improvisieren, Musikhören, Musikgeschichte, Instrumentenbau u. a.); Musik und Bewegung; Musikunterricht im Alter. Das Buch bietet neben exemplarischen Projektbeschreibungen auch ein umfangreiches Literatur­verzeichnis. Eine kommentierte Biografie ist online verfügbar.
Musizieren im Alter ist eine unverzichtbare Grundlagen-Lektüre für alle, die mit älteren Menschen musizieren oder über musikalische Angebote in der Altenarbeit nachdenken.
Andrea Welte