Gabbe, Isabel

Musizieren lernen? Ein Kinderspiel!

Spielideen für den instrumentalen Anfangsunterricht

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 2/2011 , Seite 28

Isabel Gabbe stellt praxiserprobte Spiele für den Instrumentalunter­richt vor zu den Themen Improvi­sation, Klaviertechnik, Notation, Hören und Üben.

„Hallo Mama, schau mal, wir haben im Klavierunterricht Domino gespielt!“, begrüßt der fünfjährige Simon seine Mutter. Mit verwirrtem Blick tritt sie am Ende der Stunde in den Unterrichtsraum. Ich lade sie ein, in den ­verbleibenden Minuten mitzuspielen. Überrascht setzt sie sich zu uns auf den Boden. Sie versucht, das Noten-Domino zu verstehen. Ungeduldig erklärt Simon ihr die Regeln: „An die Note musst du den richtigen Buchstaben legen oder an den Buchstaben die richtige Note, egal ob im Bassschlüssel oder im Violinschlüssel.“ Ich sehe förmlich, wie es im Kopf der Mutter zu rauchen beginnt. Sie stöhnt leise: „Noten habe ich zuletzt in der Grundschule lesen müssen.“ Wenige Minuten später haben wir unser Spiel beendet und Simon strahlt. Er hat gegen seine Mama (und natürlich auch gegen mich) gewonnen. „Mama kann das ja gar nicht!“ Und dann sagt er: „Darf ich das nach Hause mitnehmen?“ Er darf und ich freue mich über seine Motivation, die Noten zu wiederholen. In der nächsten Stunde kommt er mit seiner Schwester und seiner Mutter wieder und möchte gleich am Anfang der Stunde mit ­allen Anwesenden, auch der neunjährigen Louisa, die vor ihm Unterricht hatte, Noten-Domino spielen. Louisa lässt sich nicht lange bitten und bleibt schließlich noch eine halbe Stunde länger da.
Szenenwechsel: Ich sitze zwanzig Studierenden im Seminar Frühinstrumentalunterricht im Rahmen der Klavierdidaktik der Folkwang Universität Essen gegenüber. Sie entwickeln Spielanweisungen zur Erarbeitung eines Stücks mit ihren Schülerinnen und Schülern. Auf meine Bitte, ihre durchaus guten Anweisungen kindgerechter und spielerischer zu formulieren, tritt Schweigen ein. Wir analysieren zusammen oben beschriebene Szene. Am Ende des Brainstormings standen auf der Folie Begriffe wie: beobachten, sich leiten lassen, Bedürfnisse des Kindes aufnehmen, Spaß haben, motivieren, für Gruppe geeignet, Spiel für die ganze Familie, auf Augenhöhe mit Schülern, Lehrer = Partner. Die Studierenden sollten nun als Hausaufgabe ein Spiel entwickeln zu den Themen Notation/ Hörschulung, Bewegung, Improvisation, Üben. Außerdem sollten sie die Spiele auf ihre Über­tragbarkeit für den Gruppenunterricht und Erwachsenenunterricht überprüfen. Da­rauf­hin entstand eine Liste von siebzig Spielen! Ein paar davon möchte ich hier vorstellen.
„Das Spiel […] ist eine Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung ausgeführt wird. Es ist eine Beschäftigung, die um der in ihr selbst liegenden Zerstreuung, Erheiterung oder Anregung willen und oft in Gemeinschaft mit anderen vorgenommen wird. […] Einem Spiel liegen oft ganz ­bestimmte Handlungsabläufe zugrunde, aus denen, besonders in Gemeinschaft, dann Regeln hervorgehen können.“1 Klavierspielen ohne bewussten Zweck, zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an seiner Ausübung: Wer hat das noch nicht von SchülerInnen oder Eltern gehört? Das Spiel wird entwicklungspsychologisch als die Haupttriebkraft der frühkindlichen Selbstfindung und späteren Sozialisation des Menschen angesehen. Der Mensch reflektiert, erforscht und erkennt die Welt zuerst im Kinderspiel. Ein Spiel mit einem didaktischen Hintergedanken ist nun nicht gerade „ohne bewussten Zweck“. Die Übergänge zwischen Spiel und Etüde oder Übung sind eher fließend. Die im Folgenden aufgeführten Spiele wurden von den Kindern als Spiel anerkannt. Andere Erfindungen der Studierenden, bei denen zu sehr der „bewusste Zweck“ offenbar wurde, wurden hingegen abgelehnt.

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Spiel#Definitionen

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2011.