Bradler, Katharina / Martin Losert / Andrea Welte (Hg.)

Musizieren und Glück

Perspektiven der Musik­pädagogik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2015
erschienen in: üben & musizieren 1/2016 , Seite 51

Dass Glück viele Facetten hat und Musizieren eine davon darstellen kann, ist unter Menschen mit Musikberufen selbstverständlich, nehmen sie doch oft erhebliche Nachteile wie mäßige Einkommen, ungesicherte Arbeitsverhältnisse oder Gesundheitsschäden in Kauf. Doch dem Zusammenhang von Musizieren und Glück aus instrumentalpädagogischer und nicht nur philosophischer Perspektive nachzugehen und dabei sogar die Frage nach der Didaktisierbarkeit von Glück zu beantworten – ist Glück durch bestimmte Unterrichtssettings vermittelbar? –, ist ein äußerst schwieriges Unterfangen, das die AutorInnen mit Bravour gelöst haben.
Über dreizehn unterschiedliche Perspektiven, von Glückstheorien der Antike über biografische Dokumente von InstrumentalpädagogInnen bis hin zu Glücksmomenten bei verschiedenen Umgangsformen mit Musik, spannt sich der thematische Bogen des Sammelbandes. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage, ob und inwiefern das Glück des Musizierens zum Lebensglück beitragen kann, wobei die hiermit befassten Autoren auch unter Bezugnahme auf autobiografische, teils sehr persönliche Erfahrungen eindeutig zu positiven Ergebnissen kommen.
Dass dabei eben nicht alles nur „neuro“ ist, wird ebenfalls in einem der Beiträge beleuchtet, wie auch das Glück, das Musikhören hervorzurufen in der Lage ist. Dass nicht nur der Selbstbetätigung beim Singen oder Inst­rumentalspiel, sondern auch dem Musikhören ein Beitrag gewidmet ist, ist insofern umsichtig, als das Glück des Musik­hörens dem Wunsch, ein Instrument zu erlernen oder Gesangsunterricht zu nehmen, oft vorausgeht. Doch auch die weniger beglückenden Umstände, die mit dem Beruf als Instrumental­pädagoge verbunden sein können, werden nicht ausgespart: Sowohl dem Musizieren als solches, aber auch den Lebensumständen als Berufsmusiker oder Musikpädagoge kann durchaus auch Unglück innewohnen. Mit der Aufnahme dieses ernüchternden Aspekts ist das Buch von einer Verklärung und Überhöhung des Musizierens angenehm weit entfernt.
Die in Sammelbänden oftmals schwierig zu gestaltende innere Kohärenz der Einzelthemen ist in diesem Band hervorragend gelungen: Alle Beiträge fügen sich zu einem runden Gesamtbild. Wer jedoch die Hoffnung auf eine „Rezeptdidaktik“ hegt, wird enttäuscht werden. Dies ist nicht die Absicht des Buchs – und ausgesprochen wohltuend innerhalb des derzeitigen musik­didaktischen Mainstreams, das eigene Nachdenken zugunsten möglichst schnell und effizient einsetzbarer Unterrichtseinheiten und -materialien zu minimieren. Manche Facetten des Glücks sind, trotz aller Forschungsergebnisse, weder erklärbar noch in garantiert erfolgreiche didaktische Verpackungen zu verschnüren – zum Glück.
Anja Bossen