Führe, Uli
My Trembling Heart
26 Chorlieder für 4 gemischte Stimmen
Die neue Chorlied-Sammlung My Trembling Heart des bekannten badischen Komponisten, Chorleiters, Liedermachers und Kabarettisten Uli Führe richtet sich an aufgeschlossene Laienchöre vom Gesangsverein über den Kirchen- bis zum Jugendchor. Sie enthält 26 vierstimmige Chorsätze unterschiedlichen Inhalts und unterschiedlicher Atmosphäre, und der Verlag kann sie mit Recht als „Chorlieder für alle Fälle“ bewerben. Die Mehrzahl der Sätze rechnet mit der klassischen Besetzung aus je zwei Frauen- und Männerstimmen, in dreien steht eine Männerstimme drei Frauenstimmen gegenüber, einmal gibt es beide Möglichkeiten, ein Satz ist dreistimmig. Akkordsymbole gestatten eine Instrumentalbegleitung, doch notwendig ist sie nicht; denn der Klang rundet sich auch in a-cappella-Besetzung, ohne sichere Ensembles zu überfordern.
Die vertonten Gedichte zeigen ein weites Spektrum. In der ersten Lied-Gruppe, 14 Neuvertonungen, steht der umstrittene konservative Dichter Rudolf Binding (1867-1938) neben dem 1848er-Revolutionär Georg Herwegh (1817-1873), dem unglücklichen Humoristen Joachim Ringelnatz (1883-1934) und der mit 18 Jahren in einem Zwangsarbeitslager verstorbenen jungen jüdischen Dichterin Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942). Die berühmten Autoren Heinrich Heine, Rainer Maria Rilke und Günter Eich sind vertreten, aber auch der Hinterzartener evangelische Pfarrer Hellmuth Wolff. Von Edgar Allan Poes Gedicht To the River leitet sich der Titel des Bandes her. Alle Texte tragen gut die Musik und artikulieren eine beachtliche Bandbreite von Stimmungen: Naturerfahrung und Gesellschaftskritik, Einsamkeit und Liebessehnsucht, Abschied und Hoffnung.
In seinen Liedsätzen verbindet Führe die verschiedensten Stile gut: Unverkrampft mischen sich romantisches Chorlied und protestantische Kirchenchortradition, Folkorebewegung und Liedermacher-Idiom, Popsong und neues geistliches Lied, fein dosiert nach Liedatmosphäre und Textnuancen. Sogar Bindings Gedichte, denen der heroische Tonfall der Zwischenkriegszeit anhaftet, verlieren dank leichtfüßiger Gitarrenharmonik und aufgelockerter Rhythmik ihre Schwere. Der raunende existenzialistische Unterton rückt plötzlich in ein freundliches Licht und man entdeckt in der Vertonung eine anrührende menschliche Erfahrung.
Überhaupt bleiben Führes Lieder anschlussfähig zu verschiedenen musikalischen Milieus und arbeiten damit der weit verbreiteten Tendenz entgegen, sich in eine kulturelle Nische zu verkriechen.
Fünf feinsinnige Volksliedbearbeitungen bilden die zweite Gruppe. Hier ist besonders merkenswert der Satz zu Mädel, ruck, ruck, ruck, dessen witzige Rock’ n’Roll-Einleitung den Vorgang der Annäherung gleich per Synkope abbildet. Sieben englischsprachige Lieder, darunter drei Spirituals, runden den Band ab. Der Kompositionsstil ist hier etwas konventioneller, aber immer noch klang- und wirkungsvoll.
Andreas Hauff