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Buschmann, Jana

Netzreise

Sich online fortbilden anstelle von Online-Fortbildung

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 3/2016 , musikschule )) DIREKT, Seite 04

Endlich war es soweit: zwei Nächte lang surfen durch das Internet auf der Suche nach empfehlenswerten Online-Fortbildungen für Instrumentallehrkräfte. Mein Spürsinn war geweckt. Allerdings musste ich mich schnell umorientieren, nachdem Stichworte wie „Online-Fortbildung“, ­„digitale Schulung“ und „E-Learning“ bei Suchmaschinen, musikpädagogischen Ins­titutionen und Verbänden weitgehend ins Leere liefen. Woran kann das liegen? Das Internet könnte doch im Gegensatz zu Präsenzfortbildungen ein ortsunabhängiges Fortbilden im geschützten Raum bedienen. Eigene Forschungen* im Kon­text von digitalen Fortbildungen für Musiklehrkräfte an Grundschulen im ländlichen Raum zeigen Schwierigkeiten auf, die dafür ursächlich sein können. Sie bilden den Ausgangspunkt meiner Netzreise.

Videokonferenzen

Am „Tag der Wissenschaften“ des Luckenwalder Friedrich-Gymnasiums im Jahr 2014 wurden verschiedene Vermittlungsformen während einer 90-minütigen Live-Fortbildung zum Thema „Singen in der Schule“ mit Sender an der Universität Potsdam und Empfänger im Informatik­raum des Gymnasiums mit 25 Schülerinnen und Schülern getestet. Während in der Wirtschaft Videokonferenzen erfolgreich zur Informationsvermittlung eingesetzt werden, brachte dieser Versuch, obwohl gute Software (GoToMeeting von Cit­rix) wie auch Hardware auf beiden Seiten zur Verfügung standen, ernüchternde Ergebnisse: Netzwerkschwankungen unterbrachen immer wieder die Verbindung, Zeitverzug stellte sich ein, der von Birgit Jank, Leiterin des Lehrstuhls für Musikpädagogik und -didaktik an der Universität Potsdam, vor Ort in der Schule überbrückt werden musste. Für eine komplexe Medienübertragung (z. B. Videos) war das ­Internet der Schule im Download zu schwach, sodass ein Rückgriff auf die im Vorhinein übertragenen Videos erforderlich war.
Die Wissensvermittlung in Form eines Powerpoint-Vortrags mit eingebundenen Fotos, Grafiken und Statistiken fesselte die Aufmerksamkeit der Lernenden, das Einstudieren eines Kanons oder eine Gruppendiskussion waren hingegen eine große Herausforderung für beide Seiten: Eine Übertragungsverzögerung von ein bis zwei Sekunden im Bild bei korrekter Audioübertragung und die Spiegelung des Dirigenten waren kräftezehrend, ebenso der Umstand, die nonverbalen Reaktionen der Schülerinnen und Schüler aufgrund des stockenden Bildes nicht ablesen zu können.
Das Potenzial dieses Formats wird letztlich erst im Jahr 2017 zu bewerten sein, denn dann sollen die in der Digitalen Agenda 2014-2017 beschlossenen Leitlinien zur bundesdeutschen Digitalpolitik umgesetzt sein. Hierzu zählt vor allem, flächendeckend den Mindeststandard von 2 MB/s im Down­load zu erfüllen.
Nur vereinzelt finden sich im Netz zeitsynchrone Fortbildungsmöglichkeiten für Instrumentallehrkräfte. So bietet etwa eine Online-Musikschule unter www.musikschuleonline.com explizit Fortbildungen in den bereichen Komposition und Arrangement: „Hallo, Musikerzieher! Wie wäre es mit einer ,Fortbildung‘ – wir machen Sie gerne fit in Komposition und Arrangement. Wann haben Sie eigentlich zuletzt ein neu­es Instrument gelernt?“, heißt es dort. Als Vorteile werden aufgezählt: keine Vertragsbindung, flexible Unterrichtslänge und Termine, kostenlose Videoaufnahmen der Stunde zum Nachlernen und ein allerorts verfügbarer Materialservice.
Zusammenfassend lässt sich für zeitsynchrone Vermittlungsangebote über Videokonferenz, bei der im besonderen Maß die Musizierpraxis berücksichtigt wird, eine Eins-zu-Eins-Beschulung feststellen. Für ein Online-Gruppenmusizieren von mehreren Plätzen aus, wie es für musikpädagogische Fortbildungen wünschenswert wä­re, sind meinen Untersuchungen und Recherchen zufolge die netzwerkbedingten Voraussetzungen (noch) nicht geeignet.

E-Learning und Community

E-Learning-Plattformen sind meist von Ins­titutionen und großen Interessengruppen organisiert und zeichnen sich durch Interaktion der Teilnehmenden aus. Sie weisen einige erwähnenswerte Vorteile auf, um Projekte ort- und zeitunabhängig mit verschiedenen Gestaltern verwirklichen zu können. Der Treff im virtuellen Raum ermöglicht, multimediale Materialien zu besichtigen und zu bearbeiten, im Chat-­Bereich Fragen zu diskutieren oder gar an Live-Acts teilzunehmen. Einige gelungene Beispiele für künstlerische Projekte, die im Rahmen einer E-Community entstanden sind, listet z. B. die Website der Jeunesses Musicales Deutschland auf: www.jmd.info/ projekte/e-community-musik. Ein Beispiel für internationalen fachwissenschaftlichen Austausch ist das Afghanistan Music Research Centre – www.amrc-music.org/afghanistan-music-research-centre/e-learning/ online-seminar –, ein gemeinsames Projekt der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar und der Friedrich-Schiller-Universität in Jena: „Im Wintersemester 2014/ 2015 lernten sieben Studierende aus Weimar und zehn aus Kabul […] zusammen über eine eigens entwickelte E-Learning-Plattform. […] Online diskutierten sie Fra­gen des Musikmanagements und der Musikpädagogik. Über eine Moodle-Plattform konnten sie sich austauschen und gemeinsam die gestellten Aufgaben erarbeiten.“
Nachteilig ist die aufwendige Verwirklichung solcher E-Learning Plattformen für Privatpersonen, denn die Erstellung einer später auch lebendigen E-Learning-Plattform bedarf einer professionellen Anlage und Betreuung, wie sie häufig nur bei Ins­titutionen zu finden ist.

An dieser Stelle meiner Reise durchs Web wird ein Perspektivwechsel notwendig, um weitere Online-Formen zu erschließen, die ein Fortbilden ermöglichen. Die Perspektive verschiebt sich von: „Wer bietet mir eine Online-Fortbildung an?“ zu: „Wie kann ich mich selbst im Internet fortbilden?“ Der Perspektivwechsel erfordert jedoch nun vom Lernenden, sich selbstorganisiert und -reflektiert dem Lernprozess zu stellen, wofür sich Medien-Plattformen und Datenbanken sehr gut eignen.

Video-Plattformen

Die bekannteste Video-Plattform ist sicher YouTube. Sie bietet ihren Nutzern eine systematische Suche, Präsentation und Integration von Videos an. Kein anderes Format im Internet hat die musikalische ­Wissensaneignung so revolutioniert wie Video-Plattformen. Vor zwanzig Jahren war es noch extrem zeitaufwendig, Audio-Aufnahmen gesuchter Werke in Bibliotheken oder Geschäften zu erhalten, nur um beispielsweise Interpretationsimpulse für einen Jazzstandard zu erhalten. Heute liegen unzählige Videos von hochkarätigen Künstlerinnen und Künstlern mehrerer Jahrzehnte vor, wodurch nicht nur Gestaltungsvarianten verglichen, sondern auch spiel- oder gesangstechnische Raffinessen beobachtet werden können.
Neben Konzertaufnahmen gibt es auch Lehr- und Lernvideos auf solchen Plattformen. Sie werden als Tutorials und Podcasts bezeichnet, wobei Tutorials in der Regel eher rudimentäre Anwendungen auf Inst­rumenten zeigen wie beispielsweise das Stimmen eines Instruments. Podcasts hingegen werden in der Hochschullehre als Ergänzung oder wesentlicher Bestandteil von Veranstaltungen eingesetzt, um Lernenden Vorlesungen, Diskussionen und Experimente zeit- und ortsunabhängig zur Verfügung zu stellen. In der Regel sind es kontinuierlich erscheinende und down­loadbare Folgen zu einem bestimmten ­Anwendungsbereich. Für Musikpädagogen und -pädagoginnen besonders interessant sind Aufzeichnungen von Meisterklassen, z. B. in den YouTube-Kanälen von Music Academy of the West, Royal College of Music, Manhattan School of Music und vielen anderen.

Mediatheken

Die Kombination mehrerer Medien auf einer Plattform wird als Mediathek bezeichnet. Online-Mediatheken von kulturellen Institutionen wie Rundfunk, Konzert- und Opernhäusern, Festivals, Musikhochschulen und vielen mehr ermöglichen es, kostenlos – teils auch kostenpflichtig – Konzerte, Interviews und Konzerteinführungen, Dokumentationen und Porträts zu verfolgen. Beispielsweise bieten die Berliner Philharmoniker jede Saison über 40 Live-Übertragungen an in High-Definition sowie Archiv-Konzerte aus fünf Jahrzehnten: www.berliner-philharmoniker.de/education/mediathek. Auf der Homepage der Berliner Philharmoniker ist die Mediathek dem Education-Sektor zugeordnet, denn sie fördert musikalische Bildung in der Auseinandersetzung mit Werken, Instrumenten, Komponisten, Künstlern und Musikkulturen. Die meisten Verlage hingegen verwenden für ihre multimedialen Angebote eher weniger den Begriff Mediathek, vermutlich aufgrund ihrer Wurzeln in den Printmedien.

Online-Datenbanken für Musik

Meine Reise durchs Netz endet mit dem Fund zweier Perlen: Im Mozart-Institut in Salzburg entsteht die DME, die Digitale Mozart-Edition, welche neben der kostenlos erhältlichen Neuen Mozart-Ausgabe (Notentext und kritische Berichte) auch Briefe, Dokumente und Opernlibretti digital zur Verfügung stellt. Die internationale Stiftung Mozarteum ermöglicht in Verbindung mit dem Packard Humanities Institute (Kalifornien) mit dieser Website, Mozarts Kompositionen für wissenschaftliche und pädagogische Zwecke zu verwenden: www.dme.mozarteum.at/DME/main/index.php.
Die zweite Perle hält sich noch verborgen: Voraussichtlich im Jahr 2017 wollen die Verlage Bärenreiter und Metzler in langfristiger Zusammenarbeit mit der bibliografischen Datenbank RILM die Musik­enzyklopädie Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG) online stellen: www.mgg-online.com. Das Referenzwerk für Musikforschung, unterteilt in Sach- und Personenteil, umfasst in der digitalen Version sowohl die unveränderte Druckausgabe (1994-2008) als auch eine aktualisierte Fassung mit Korrekturen, Revisionen und neuen Artikeln. Abonnenten sollen regelmäßig Updates erhalten.

Am Ende der Reise

Mein Resümee am Ende der Entdeckungsreise durch das Netz: Es gibt nur wenige für Instrumentallehrkräfte geeignete Online-Fortbildungsangebote. Um diese für das Lernen effektiv nutzen zu können, bedarf es schnellerer Netzwerkverbindungen. Und auch dann bleibt immer noch die Frage offen, ob der Funke beim Musizieren durchs Netz fließt. Dennoch: Auch nach derzeitigem Stand können sich experimentierfreudige Instrumentallehrkräfte selbstständig über Portale und Datenbanken fortbilden und dadurch eine für viele Jugend­liche gängige Lernpraxis kritisch reflektieren.

* Jana Buschmann: „Dorf im DIGI-TAL? Digitale Fortbildung für Musiklehrer im ländlichen Raum“, in: Musikforum 2/2015, S. 34 f.