Knodt, Peter

„Neues“ vom Üben

Mit dem Lernspiel „Praktissimo“ können SchülerInnen beim Üben selbst Regie führen

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 6/2009 , Seite 28

Wie gut SchülerInnen üben, beeinflusst maßgeblich das Gelingen des Unterrichts und umgekehrt. Üben und Unterricht stehen in unmittel­barer Wechselwirkung zueinander. Gutes Üben erzeugt Freude und Zufriedenheit bei den SchülerInnen, LehrerInnen und bei den Eltern. Es wirkt sich positiv auf das Musizieren aus und kann den Weg bereiten, dies ein Leben lang zu tun. Doch was ist gutes Üben und wie können die SchülerInnen es lernen? Welche Konsequenzen hat dies für die Gestaltung des Unterrichts?

Im Idealfall wollen SchülerInnen regelmäßig aus eigenem Antrieb üben und organisieren sich die dafür notwendigen Bedingungen. Von ihrem Umfeld lassen sie sich bestmöglich unterstützen und fördern. Da sie auch ganz alleine üben lernen müssen, soll es den Merkmalen des selbstgesteuerten Lernens entsprechen. Dies liegt vor, wenn „der Handelnde die wesentlichen Entscheidungen, ob, was, wann, wie und woraufhin er lernt, gravierend und folgenreich beeinflussen kann“.1
Vor allem beim Üben selbst und im Unterricht erwirbt man die dafür erforderliche Kompetenz. Folgende Aspekte haben dafür eine besondere Bedeutung: Selbstbeobachtung, Zielsetzung, Strategiewahl und Eigen-Feedback. Die Lehrkraft selbst muss für das Üben vorbildlich sein und dies gelegentlich im Unterricht auch zeigen. Sie setzt sich angemessene, konkrete Lernziele, wählt geeignete Lernstrategien aus und ist zuversichtlich, ihre Ziele zu erreichen. Dabei beobachtet sie ihre Lernfortschritte und vergleicht diese mit den selbst gesetzten Zielen. Auf dieser Grundlage gibt sie sich selbst positive und konstruktiv-handlungsorientierte Feedbacks, die wiederum zu weiteren Lernschritten führen.
Die Lehrkraft gestaltet dieses ­modellhafte Üben so transparent, dass die SchülerInnen es verstehen und motiviert sind, selbst zu üben. Ebenso zeigt sie, wie günstige Lern­bedingungen organisiert werden können. Besonderes Augenmerk muss auf die Qualität der Anleitungen und die Rückmeldungen gelegt werden, da sie maßgeblich die Selbstanleitung und das Eigen-Feedback der SchülerInnen beim Üben prägen.
Ich erlebe es als besonders anspruchsvoll, Folgendes zu erkennen: Was kann ein Schüler im Moment lernen? Bietet der Unterricht dafür passende Bedingungen? Lasse ich dem Schüler genügend Raum oder fühlt er sich verlassen und überfordert? Wie viel Ermutigung braucht er? Habe ich zum Schüler und zum Thema selbst ausreichende Klarheit, um frei und intuitiv zu handeln? Finde ich eine Balance zwischen selbst lernen lassen, gemeinsam lernen, vormachen und erklären? Bin ich ausreichend begeistert, reflektiert und offen, um – am Schüler orientiert – richtig zu handeln? Die hinter diesen Fragen steckende Vielfalt stellt für mich Herausforderung und Faszination zugleich dar. Sie bietet großartige Entwicklungspotenziale für SchülerInnen und Lehrkraft.

Ein neues Lernmedium

Um der beschriebenen Komplexität der Aufgabe anders begegnen zu können, habe ich Praktissimo entwickelt, eine Lernhilfe zum Üben und Üben-Lehren. Es handelt sich um farbige Lernkarten, auf denen für gutes Üben wesentliche Begriffe oder Handlungen auf­gedruckt sind. Übende lernen damit, konkrete Ziele auszuwählen und ihre Aufmerksamkeit da­rauf zu fokussieren. Sie lernen Übstrategien kennen und anwenden. Sie können die Qualität ihrer Wahrnehmungen verbessern und ihr musikalisches Vorstellungs­vermögen entwickeln. Sie lernen, sich Feedback zu geben und selbst über weitere Lernschritte zu entscheiden. Ihr Üben kann vielfältiger, abwechslungsreicher und interessanter werden.
Praktissimo beinhaltet 33 farbige Begriffskarten und fünf graue Regiekarten. Man wählt zunächst vier Begriffskarten aus, mit denen man gerne üben möchte. Nun sucht man aus diesen vier Karten eine aus, z. B. „Klang“. Ziel ist es dann, seine Aufmerksamkeit auf den Klang zu lenken. Gelingt dies, kann sich die Wahrnehmung verbessern und der Vergleich zwischen gewünschtem und gehörtem Ergebnis genauer stattfinden. Verbesserungen lassen sich jetzt einfacher erkennen. Diese selbst erzeugten und erkannten Erfolge sind motivierend. Mögliche unerwünschte Ergebnisse (Fehler) in anderen Bereichen, z. B. beim Rhythmus, treten in der eigenen Wahrnehmung und Beurteilung zunächst in den Hintergrund. Sie standen nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit, waren nicht das unmittelbare Ziel. Sie erscheinen vielmehr als Option für einen weiteren Lernschritt.

1 Joachim C. Brunstein/Nadine Spörer: „Selbstgesteuertes Lernen“, in: Detlef H. Rost (Hg): Handbuch Pädagogische Psychologie, Weinheim 32006, S. 677 ff.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 6/2009.