König, Wolfgang / Veronika te Reh

Ohrenbärin Moppeline

Ein musikalisches Märchen für einstimmigen Kinderchor und Klavier, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Carus, Stuttgart 2022
erschienen in: üben & musizieren 1/2024 , Seite 61

Moppeline heißt eine Ohrenbärin, die vermutlich besonders gut hört. Sie ist Besitzerin eines geheimnisvollen Fasses. Da ihre Ohren Ruhe lieben, verscheucht sie die ständig durcheinander zwitschernden Vögel. Der Bärin an die Seite gestellt ist eine Erzählerin, die die Gedanken der Bärin ausplaudert, mit ihr aber auch Dialoge führt. Diese Person einzuführen, ist sehr sinnvoll bei Aufführungen mit kleinen Kindern, weil so eine Leitungsperson jederzeit dramaturgisch Einfluss nehmen kann.
Ohne Vögel allerdings ist es der Bärin zu still und zu langweilig. Sie lockt die Vögel wieder herbei, legt ihnen aber mehr Ordnung beim Singen nahe. Die Erzählerin fragt nach dem Inhalt des Fasses, der alsbald offenbar wird: Es enthält Lieder. Nach und nach werden daraus Lieder gezogen und von verschiedenen Vögeln wiedergegeben.
Insgesamt gibt es elf einstimmige Lieder (einen Kanon), die mit ordentlichem Klaviersatz oder einem Playback begleitet werden. Sechs davon sind gut und ansprechend arrangierte Volkslieder, z. B. Kommt ein Vogel geflogen, Alle Vögel sind schon da, Kuckuck ruft’s aus dem Wald. Fünf Lieder hat Wolfgang König speziell für die Geschichte beigesteuert, alle im Grundton volkstümlich, aber synkopisch aufgepeppt. Sämtliche Lieder sind in von Kindern gut singbaren Ton­lagen gesetzt.
Es ist grundsätzlich zu loben, um das Singen von Liedern das Band einer Geschichte zu schnüren. Hier zeigt sich reiche Erfahrung. Leider fehlen szenische Anregungen, die man in einer praxisnahen Ausgabe erwartet.
Die Kreation eines überzeugenden Märchens gelingt der Librettistin Veronika te Reh allerdings nicht. Zu konstruiert sind Wechsel und Verläufe, ein roter Faden stellt sich nicht ein, Faszination entsteht nicht. Kniffe zur Einführung neuer Charaktere sind allzu hölzern, wirken beliebig. So heißt es nach zwei Liedern über den Kuckuck vor dem Wechsel zu einem anderen Lied schlicht: „Schluss mit Kuckuck!“ So wirkt der Text eher als konstruiertes Lenkmanöver statt als raffiniert schlüssige Überleitung. Die wenigen Spannungsfelder entpuppen sich allzu schnell als Scheinriesen. Die Erzählerin fragt zu Beginn mit Blick auf das geheimnisvolle Fass: „Was ist da drin?“, die Bärin erwidert verheißungsvoll: „Aber am Ende meiner Geschichte werdet ihr es wissen und staunen.“ Doch bereits nach dem nächsten Lied klärt sich alles auf – der einzige Spannungsbogen ist dahin.
Fazit: Ohrenbärin Moppeline bietet kindgerecht arrangierte (Volks-)Lieder, nur leider in einer etwas verquasten Geschichte ohne zwingenden Inhalt. Es handelt sich um ein Lieder-Potpourri, textlich mit wenig substanzieller Kraft verknüpft. Eventuell geeignet für Kinder im Vorschulalter, wo zwingende Logik oder ein erzählerisch schlüssiger Kern vielleicht noch verzichtbar sind. Spätestens im Schulalter aber erscheint dies „Märchen“ leider mehr langweilig als faszinierend.
Gerhard Scherer