Strawinsky, Igor

Pastorale

Lied ohne Worte für Block­flötenquartett, arr. von Jane Minns, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2013
erschienen in: üben & musizieren 3/2014 , Seite 59

Zwar handelt es sich bei dieser Pastorale um ein nur relativ kurzes Stückchen (63 Takte), doch kommt ihr nichtsdestotrotz eine gewisse historische Bedeutung zu: Gehörte sie doch in ihrer Originalfassung für Sopran mit Klavierbegleitung zu den Stücken, mit denen Igor Strawinsky im Dezember 1907 sein kompositorisches Debut bei einer der musikalischen Soireen in Sankt Petersburg gab. Somit handelt es sich außerdem um eines der frühesten Manuskripte für begleiteten Gesang, das uns von Strawinsky erhalten ist.
Der Titel Pastorale – Lied ohne Worte verweist einerseits auf ein nicht erst seit Beethovens sechs­ter Sinfonie hinlänglich bekanntes und beliebtes Genre, das sich der Erweckung ländlicher Assoziationen beim Hörer widmet, andererseits aber auch auf Felix Mendelssohn Bartholdys bei Pianisten des 19. Jahrhunderts höchst geschätzte Lieder ohne Worte: Klavierstücke mit einer wortlosen Cantilene, zumeist in der Oberstimme.
Strawinsky bediente sich hier gewissermaßen einer – gleichwohl sehr knapp gehaltenen –Kombination beider Genres, der er aber doch bereits seinen ganz eigenen, rhythmisch akzentuierten und harmonisch durchaus individuellen Stil einprägte, mit dem er sich offenbar kompositorisch von seinem Mentor Nikolai Rimsky-Korsakow (dessen Tochter Nadja das Stück gewidmet ist) zu lösen begann.
Des Komponisten noch in späteren Jahren vorhandene Wertschätzung dieses Stückchens lässt sich vielleicht auch daraus ersehen, dass er es zwischen 1923 und 1933 mehrfach für die verschiedensten Besetzungen um­gearbeitet hat. Was auch Jane Minns veranlasst haben mag, dieses Stück nun höchst geschickt für vier Blockflöten (ATTB) zu arrangieren, angelehnt übrigens an Strawinskys eigene Bearbeitung für ein gemischtes Oktett. Dabei bleibt Minns dem ursprünglichen Charakter der Pastorale insofern treu, als die Altblockflöte im Ambitus der Sop­­ranstimme recht nahe kommt. Die Tenor- und Bassflöten ahmen gewissermaßen den Klavierklang nach, wenn sie über weite Strecken im Staccato angestoßene Achtelnoten spielen, die klanglich tatsächlich an eine von einem Hämmerchen angeschlagene Saite erinnern.
Keine der vier Flötenstimmen ist sehr schwer zu spielen, sofern die SpielerInnen bereits über den Ambitus ihres jeweiligen ­Instruments verfügen und auch mit Vorzeichen keine Probleme haben, sodass auch leicht fortgeschrittene Schüler mit dem Stück durchaus ihren Spaß haben dürften. Ein Vorteil ist dabei sicherlich das gemäßigte, in Achteln dahinfließende Andante-Tempo, sodass hier keinerlei Virtuosität verlangt wird – dafür allerdings umso mehr dynamische Differenzierung, deutliche Artikulation und sicheres Zusammenspiel auch bei agogischen Manövern im Dienste der musikalischen Expressivität. Sind diese Aspekte gegeben, dann kann man sicher sein, mit diesem Stück einen echten Renner für jeden Vorspielabend zu erstehen!
Andrea Braun