Schaubruch, Josef / Valerie Krupp
Performances zwischen Musik, Tanz und Medienkunst
Das interdisziplinäre Ensembleprojekt „Musik – Tanz – Improvisation (MuTaPro)“ an der Hochschule für Musik Mainz
Digitales umgibt uns allgegenwärtig. Es umspannt uns in unsichtbaren Netzen, mit denen wir unweigerlich in Austausch treten. Es durchdringt unseren Alltag, unsere Beziehungen, unser Handeln; nimmt Einfluss auf die Art und Weise, wie wir Kunst wahrnehmen, Kunst machen und uns zu Kunst verhalten. Die Grenzen zwischen online und offline, zwischen analog und digital, zwischen menschlichen und maschinellen AkteurInnen sind dabei längst fluide geworden. Wie sieht ein Ensemble aus, das diese Entwicklungen nicht nur repräsentiert, sondern auch künstlerisch und pädagogisch fruchtbar macht?
Dieser Frage widmet sich das interdisziplinäre Ensembleprojekt „Musik – Tanz – Improvisation (MuTaPro)“ der Hochschule für Musik und dem Institut für Sportwissenschaft der Johannes Gutenberg Universität in Mainz.[1] Es bestand im ersten Durchlauf im Sommersemester 2024 aus Lehramtsstudierenden, im darauffolgenden Wintersemester aus SchülerInnen eines Mainzer Gymnasiums.
Ziel war jeweils die Entwicklung, Aufführung und Reflexion einer multimedialen Performance aus Musik, Tanz und Medienkunst. Im Sommersemester erarbeiteten die Studierenden in Kleingruppen einzelne thematische Bausteine, die sie dann dramaturgisch anordneten und zu einer Gesamtperformance zusammenfügten. Projektpartner waren ein Producer, eine Tänzerin und ein Lichtkünstler der Kreativszene, die den Studierenden Feedback zu ihren Projekten gaben.
Im Wintersemester wurde das Projekt auf eine Kooperationsschule übertragen, an der die Studierenden SchülerInnen dabei anleiteten, ebenfalls eine solche Performance zu realisieren. Die Unterrichtsstunden wurden zuvor im Seminar ausgearbeitet und dann an der Schule umgesetzt, wobei das übergeordnete Thema in Abstimmung mit den Lehrkräften und den SchülerInnen festgelegt wurde. Im weiteren Verlauf unterstützten die Studierenden die Gruppenarbeiten der SchülerInnen adaptiv. Der Arbeitsprozess wurde je begleitend reflektiert und in einem individuellen Portfolio festgehalten.
Übergeordnetes Ziel des Lehrprojekts war aus musikpädagogischer Sicht, sich durch die Ensemblearbeit (post)digitalen musikalischen Praktiken künstlerisch – und später auch lehrend – anzunähern. So bedienten sich die Ensembles aus dem Handlungsrepertoire von DJs, Liveacts, VJs und LJs (LichtkünstlerInnen): dem Musizieren mit Songs, Tracks, Loops und Samples mithilfe der Apps djay und GarageBand, dem Arrangieren von Video-Clips mithilfe der App GoVJ sowie dem Gestalten von Licht in Echtzeit mithilfe der Software Madmapper. Hinzu trat der Tanz, der die jeweiligen Themen choreografisch umsetzte und dabei Live-Streaming ins Social Web und VR-Brillen nutzte. Auch künstliche Intelligenz kam im Schaffensprozess zum Einsatz: zu Beginn bei der Konzeption und später in der Erstellung und Bearbeitung von Audio-, Bild- und Videomaterial (Suno AI, Adobe Firefly).
Wesentlich war die Hybridität kreativen Tuns: Die Ensembles spielten nicht ausschließlich mit digitalen Musikmach-Dingen, wie sie bereits in innovativer Form als Laptop- oder Tablet-Ensemble existieren. Stattdessen galt es, eine künstlerische Sprache zu finden, die die instrumentalen Vorkenntnisse der Spielenden nutzt, diese aber um im Musikunterricht tragfähige mobile Smart-Technologien anreichert (wie Apps, Interfaces, Controller). Im Ergebnis standen dann u. a. Sprechtexte, das Spielen einer Geige, das Scratchen einer virtuellen Schallplatte, das Abspielen von Loops sowie das Effektieren von Audio-Spuren unaufgeregt nebeneinander. Dies warf grundlegende Fragen künstlerischer und pädagogischer Praxis neu auf: Was möchten und können wir ausdrücken? Wie gehen wir dazu vor? Wer spielt was? Was ist ästhetische Qualität? Und wie vermitteln wir das alles?
Diese Auseinandersetzung stellt nicht nur für Studierende und SchülerInnen stets eine kreative Herausforderung dar. Sie konfrontiert sie mit der Vielfalt an Möglichkeiten, aus denen ausgewählt werden kann – und muss. Sind Ensembles so angelegt, besteht die Ensemblearbeit wesentlich aus einer Aushandlung der Beteiligten, in der digitale Technologien kooperativ und komplementierend erprobt, angeeignet und kritisch diskutiert werden können. Sie können so Lern- und Experimentierfeld, Spielwiese und Denkfabrik sein, die im Austausch zwischen Hochschule und Schule, zwischen Ausbildung und Fortbildung, zwischen Disziplinen und AkteurInnen aus Forschung, Lehre und künstlerischer Praxis ein inspirierendes Umfeld finden.
[1] Das Projekt wurde vom Gutenberg Lehrkolleg der Johannes Gutenberg Universität Mainz im Sommersemester 2024 und Wintersemester 2024/25 als innovatives Lehrprojekt gefördert. Es entstand im Rahmen des Projektverbundes „KuMuS-ProNed“ im Kompetenzzentrum Musik, Kunst und Sport am Standort Mainz, das dem von der EU und dem BMBF geförderten Verbund lernen:digital angehört. (Förderzeitraum: 07/2023-2025).