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Janosa, Felix / Jörg Sommerfeld

Personal Writing

Instrumentalpädagogisches Arrangieren: Fördern und Fordern mit Spaß und künstlerischem Anspruch

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 4/2020 , Seite 26

„Was nicht passt, wird passend ge­macht!“ Jeder Musiker hat vermutlich schon einmal Noten zur Aufführung gebracht, die eher nach dieser ruppigen Hand­werkerdevise als nach musikalischen Kriterien hergestellt zu sein schienen. Ebenso dürften vielen Instrumentallehrkräften bereits Arrangements vorgelegt worden sein, die sie für ihre eigenen Schülerinnen und Schüler als pädagogisch ungeeignet oder gar unspielbar erachteten. Es gibt aber viele Gegenbeispiele: Päda­gogischer und künstlerischer An­spruch lassen sich oft verbinden.

Es gibt keine zwingende Trennlinie zwischen Anspruchslosem für SchülerInnen und Anspruchsvollem für Künstlerinnen und Künstler. Komponisten wie Bach, Bartók oder Orff komponierten neben ihrer „Musik für Profis“ auch pädagogische Musikstücke mit hohem Niveau und geben uns für das 21. Jahrhundert Richtlinien, wie wir unsere eigenen pädagogischen Arrangements verstehen sollten – als Freude am Musizieren und gleichzeitig als Weg zur „guten Musik“ (was immer das im Einzelfall sein kann). In diesem Sinne vermag ein gelungenes pädagogisches Arrangement beides: die musikalischen Fähigkeiten von Schülerinnen und Schüler zu fördern und gleichzeitig die Musizierenden für die Kunstfertigkeit und Emotionalität einer Komposition zu begeistern.
Arrangieren für Schülerbesetzungen sollte keine musikalische Kompromissfindung sein, sondern ist als künstlerischer Prozess zu begreifen. In der gemeinsamen Stückauswahl, Anpassung, Einrichtung und Korrektur von Schülerstimmen, Proben und Aufführung findet sich ein Kunstbegriff „an der Berührungsfläche zwischen Subjekt und Objekt“ wieder, wie ihn Michael Dartsch in Bezug auf John Dewey beschreibt: „Entscheidend aber ist die Orientierung der musizierenden Menschen an der Verfeinerung und Vertiefung ihres Tuns…“1 Musizierende Menschen sind nicht nur die Lernenden; auch arrangierende Lehrkräfte sind am Prozess des Musizierens intensiv beteiligt. Verfeinerung und Vertiefung bedeuten für sie zusätzlich eine immer detailreichere Auseinandersetzung mit den Grundlagen instrumentalen Lernens.
In diesem Sinne skizzieren die nachfolgenden Ausführungen eine instrumentaldidaktische Instrumentenkunde, die nach unserer Auffassung bislang als Lehrbuch fehlt. Denn während man zum Arrangieren für Profis auf zahlreiche Nachschlagewerke zurückgreifen kann, fehlt eine zusammenfassende und vergleichende Darstellung von üblichen instrumentaldidaktischen Verfahrensweisen genauso wie Beschreibungen spezifischer Traditionen in der Instrumentalpädagogik.

Kriterien

Pädagogische Arrangements berücksichtigen neben musikalischen Kriterien auch Aspekte des jeweiligen Unterrichtssettings. Daher sollte man sich klarmachen, mit welcher Situation und mit welchem Niveau man es zu tun hat:
– Instrumentalpädagogische Besetzungen (z. B. Gruppenunterricht, Streicher- oder Bläserklassen) befähigen SchülerInnen desselben Instruments oder derselben Instrumentenfamilie, ein Stück gemeinsam mehrstimmig zu spielen. Hier spielt die Instrumentaldidaktik eine wichtige Rolle; das Arrangement muss zu den aktuellen Lerninhalten passen bzw. zukünftige vorweg nehmen.
– Funktionale Besetzungen (z. B. En­semb­­les mit ungewöhnlichen Instrumentenzusammenstellungen und Leistungsniveaus) unterscheiden nicht zwischen Instrumenten, sondern zwischen Stimmen unterschiedlicher musikalischer Funktion: Melodie- und Bassstimmen, Nebenstimmen, akkordische Liege- oder Haltetöne, grundsätzliche rhythmische Akzente. Mit Rücksicht auf die nicht festgelegte Inst­rumentalbesetzung und mögliche personelle Fluktuation sind Arrangements hier unspezifisch, einfach und flächig gehalten, vor allem auf das „Funktionieren“ ausgelegt.
– Konzertarrangements (z. B. die Einrichtung einer barocken Flötensonate für Saxofon und Klavier) für spezifische Instrumente und bestimmte Schüler, deren spieltechnische und musikalische Vorkenntnisse man genau berücksichtigen muss, erfordern im Gegensatz zu funktionalen Besetzungen eine differenzierte Analyse der Bedingungen vor Ort und meist eine Binnendifferenzierung, damit z. B. fortgeschrittene SpielerInnen und AnfängerInnen gemeinsam musizieren können.
– Standardbesetzungen (z. B. Big Band, Pop-Band, zwei- oder dreistimmiger Chor mit Klavierbegleitung) erfordern eine Spezialisierung des Arrangeurs, eine längerfristige Auseinandersetzung mit klassischen Vorbildern und genrespezifischen Regeln, die deutlich über Aspekte wie Tonumfang oder gebräuchliche Tonarten hinausgehen.
Unabhängig von der Besetzung entscheiden die folgenden drei Faktoren über Ge­lingen von Probe und Aufführung:
1. Das Arrangement muss alters-, gruppen- und niveaugemäß konzipiert sein. Es holt die Musizierenden auf ihrem Entwicklungs- und Musizierniveau ab, berücksichtigt besondere Gruppendynamiken und fördert wie fordert alle Beteiligten durch ein „Denken vom Ende her“: Wie könnte das Ganze am Tag der Aufführung bei starker Motivation während der Proben klingen? Der Arrangeur muss also prognostizieren: Nicht das, was sofort möglich, sondern was nach dem gemeinsamen Proben und Ausprobieren und häuslichem Üben erreicht werden kann, ist maßgeblich für das Schreiben eines Arrangements.
2. Getreu dem Motto „Musik ist eine Belohnung für sich selbst“ nimmt eine pädagogische Stückauswahl (siehe unten) in Verbindung mit einem griffigen Arrangement mehr Rücksicht auf die Musizierenden und ihr Pub­likum als eine professionelle. Eine besondere Attraktivität des Titels ist sowohl für den Leiter oder die Leiterin als auch für die Musizierenden motivierend.
3. Zuletzt ist eine formal kompakte, harmonisch, kontrapunktisch, rhythmisch und pädagogisch überzeugende Gestaltung des Arrangements entscheidend für den guten Eindruck, den die jungen MusikerInnen und ihr Leiter oder ihre Leiterin hinterlassen. Falscher Ehrgeiz, etwas besonders Virtuoses, Komplexes, Umfangreiches oder „Professionelles“ zu bieten, wird gewöhnlich weniger honoriert als die lustbetonte und unverkrampft musizierte Darbietung von technisch weniger anspruchsvollen Arrangements. Der Fokus sollte auf dem Zusammenspiel stehen, die Proben- und Aufführungssituation muss bereits beim Arrangieren für Schülerinnen und Schüler mitgedacht werden.

1 Michael Dartsch: Didaktik künstlerischen Musizierens für Instrumentalunterricht und Elementare Musikpraxis, Wiesbaden 2019, S. 46.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2020.