Schmidt, Volker Ignaz
Phantastische Fabelwesen
für Klavier
Die hier im leichten bis mittleren Schwierigkeitsgrad dargestellten zwölf Fabelwesen lassen aufgrund ihrer Eigennamen bereits auf sehr unterschiedliche musikalische Ausdruckscharaktere schließen, die infolgedessen auch abwechslungsreiche Spieltechniken erfordern, deren Besonderheiten in einer kurzen Legende hinsichtlich Pedaltechnik, Cluster und Triller erklärt werden. So dreht sich bei den „Elfen“ alles um das cis: im Oktavraum, auf der Stelle, in Triolen-Bewegung und mit gelegentlichen kurzen klanglichen Einschüben. Im „Einhorn“ und „Katoblepas“ entstehen mehr statisch-klangliche Stimmungsbilder, teils aus vorsichtigen Cluster-Klängen oder mit langsamen Tonwiederholungen geformt.
Pianistisch deutlich anspruchsvoller wird es dann beim „Phoenix“: Vorschlags- und Trillerketten, Cluster sowie kurze melodische Achtelbewegungen charakterisieren ihn als „uralt, zugleich jung und Zeuge vieler Zeitalter“. Gleiches trifft auf das Stück „Nixen“ zu, deren Zartheit meist im Pianissimo mit zahlreichen langsamen Tremoli, oft als hintergründiger Klangteppich eingesetzt, zusätzlich mit sich auftürmenden Klängen untermalt wird. Dies musikalisch effektvoll und ausdrucksstark zu realisieren, bedarf schon einer ausgeprägten dynamisch-klanglichen Differenzierungsfähigkeit.
Bei den „Trollen“ dominieren hingegen einfache Viertel- und Achtelbewegungen, immer wieder mal sich in Oktaven sowie unkomplizierten Taktwechseln bewegend. Bei den „Dryaden“ („Baumgeister in der Gestalt von Nymphen, die ihren Baum nicht verlassen können“) haben wir es dann, deren Charakter entsprechend, mit stehenden, leicht im Walzertempo sich bewegenden Klängen zu tun, die nur durch kurze melodische Bewegungen unterbrochen werden.
Einige Stücke sind in pianistischer Hinsicht recht sperrig und nur mit viel Fantasie in eine stimmig-klangliche Gestalt zu setzen – und somit nur für fortgeschrittene SchülerInnen zu realisieren, die möglichst auch noch eine Vorliebe für Fantasy-Geschichten haben sollten, denn die schwarz-weißen Illustrationen der Fabelwesen sind fantasieanregende Darstellungen, die auch bedrohlich wirken können: wie beispielsweise beim Katoblepas („dieses unmögliche Tier droht dabei, sich selbst zu verschlingen“), bei den Trollen („einer Prophezeiung nach werden sie am Tag der Götterdämmerung die Erde zerstören“), beim Satyr („ein lüsterner, gehörnter Waldgeist mit menschlichem Oberkörper und den Bocksfüßen einer Ziege“) oder bei Skylla und Charybdis („gefräßiges Monster mit dem Oberleib einer Frau und dem Unterleib von sechs Hunden“, „gestaltloses Meeresungeheuer, das alle Schiffe erbarmungslos verschlingt“).
Insgesamt ist die Konzeption der Stücke deutlich zu erkennen und musikalisch auf die unterschiedlichen Ausdruckscharaktere der einzelnen Fabelwesen zu beziehen. So ergeben sich im Unterricht möglicherweise auch Anregungen zur Improvisation.
Romald Fischer