Hülsmann, Julia
Piano Songs
15 Jazzstücke für Klavier
Die Jazzpianistin Julia Hülsmann hat schon verschiedene CDs veröffentlicht und legt nun mit den 15 Jazzstücken für Klavier ihre erste Notenveröffentlichung vor. Sie unterrichtet an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover Jazzklavier und Komposition und zudem an der UdK Berlin im Bereich Schulmusik.
Die Piano Songs sind im mittleren Schwierigkeitsgrad gehalten und in gemäßigt moderner Tonsprache. Jedes der kurzen, meist auf zwei Seiten gedruckten Stücke ist eine Momentaufnahme, machmal wie ein improvisiertes Zwischenspiel oder eine lyrische Episode, mit interessanten ostinaten Spielfiguren gestaltet, die zum eigenen Improvisieren anregen können. Vieles ist rhythmisch sehr ansprechend. Dazu werden gerne ungerade Taktarten wie 5/8- und 7/8-Takt, zusammengesetzte Taktarten wie die Kombination von 5/8- und 6/8-Takt und neu kombinierte Metren wie die Aufteilung des 9/8-Takts in 2/2/2/3er-Gruppen eingesetzt.
Hülsmann ist es gelungen, sich jenseits ausgetretener Pfade und Klischees zu bewegen. Die in erweiterter Tonalität gehaltene Klangsprache ist mit teils überraschenden Dissonanzen und Ansätzen zur Bitonalität angereichert. Dabei werden auch Intervalle wie Quarte und Sexte häufiger eingesetzt, was dem Klaviersatz Transparenz verleiht, oder Sekunden, die aber besonders in der mittleren Lage zu einem eher verschleierten Klangbild beitragen.
Die Stücke liegen für erfahrene SpielerInnen gut in der Hand. Für SchülerInnen wären Fingersatzangaben und eine genauere Pedalisierung hilfreich gewesen. Für Studierende wird es besonders dort interessant, wo die ostinaten Figuren variiert und transponiert werden, melodische Umspielungen zum Improvisatorischen hingehen und die Grooves durch Arpeggien aufgelockert werden.
Die einzelnen Stücke haben keine Titel und keine Tempo- oder Charakterangaben, sondern nur Metronomvorgaben für das Grundtempo, die in den Nr. 4, 11 und 14 allerdings missverständlich sind; hier müssten anstatt der vorgegebenen Viertel Achtelnoten als Grundschlag stehen und bei Nr. 1 punktierte Viertel für den 6/8-Takt.
Jazztypische Harmonien wie Septim- und Nonenakkorde und Sus4- oder #11-Klänge meidet die Komponistin meistens, anstelle derer begegnen uns beispielsweise in der ternär zu spielenden Nr. 8 Quartenakkorde mit reinen und alterierten Quarten, die für ein jazzgetöntes Klangbild, quasi aus einer anderen kompositorischen Perspektive, sorgen.
Auf der Rückseite der in gutem und übersichtlichem Notensatz gestalteten Ausgabe ist zu lesen: „Die Piano Songs zeigen, was den aktuellen Jazz in Deutschland ausmacht: klischeefreie Melodien und spannende Grooves, ohne Berührungsängste zwischen klassischer Musik und Moderne pendelnd.“ Vielleicht ist diese Ankündigung etwas übertrieben. Interessierte SpielerInnen können sich von diesen sympatischen Jazzstücken selbst ein Bild machen.
Christoph J. Keller