Pannes, Matthias

Power to the music teaching

Zur Dynamik der Fort- und Weiterbildung im Bereich öffentlicher Musikschulen

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 3/2013 , Seite 24

Der Verband deutscher Musikschulen (VdM) muss sowohl für die Leitungs­ebene als auch für die Lehrkräfte öffentlicher Musikschulen passgenaue Fortbildungsangebote bereitstellen – zeitnah und auf konkrete Anforderungen eingehend.

Die erkennbaren Herausforderungen an die Musikschulpädagogik bewirken derzeit zwei grundsätzliche antagonistische Haltungen, deren Vertreter sich quer durch die Gruppen der Lehrkräfte und der Musikschulleitungen ziehen. Einerseits ist eine Aufbruchstimmung zu spüren, dem originären Musikschulauftrag stärker als früher möglich nachkommen zu können, nämlich offene Zugänge zu einer aktiven, erfüllten Auseinandersetzung mit Musik für alle Kinder zu ermöglichen und zu schaffen und vor allem im gemeinschaft­lichen Musizieren früh positive Gruppenerlebnisse wirksam werden zu lassen. Andererseits bringen die damit notwendig verbundenen veränderten Herangehensweisen an den Unterricht sowie die hierzu erforderlichen didaktischen und methodischen Kompetenzen Unsicherheiten und Skepsis mit sich.
Diese sind nicht unbegründet, vor allem hinsichtlich der Fragen, inwieweit neben einem erfolgreichen Einstieg in die Welt der Musik gelingende musikalische Bildungsverläufe sinnvoll gestaltet werden können, wie Motivation und Zufriedenheit bei Schülern und Lehrkräften nachhaltig zu erzielen sind und Frustrationen vermieden werden können. Letzteres ist nicht zu unterschätzen, gerade angesichts des Umstands, dass in Musika­lisierungsprogrammen teilweise durchdek­linierte Ausarbeitungen von Didaktik oder Curricularstrukturen für den weiteren Bildungsverlauf fehlen beziehungsweise mangels ausreichender Anschlussfähigkeit an vorhandene, für die musikalische Bildung der jungen Generation erprobte und bewährte Strukturen der Musikschule das Risiko von Bildungssackgassen nicht ausgeschlossen ist.
Dieses Ausgangsszenario ist ein Beispiel für die immer stärkere Notwendigkeit von Fort- und Weiterbildung im Musikschulbereich. Doch es ist bei Weitem nicht das einzige. Ein anderes Feld zur Illustration des Fortbildungsauftrags bei öffentlichen Musikschulen wird etwa im Kontext der Führung und Leitung von Musikschulen sichtbar: Der Bildungsorganismus der öffentlichen Musikschule erfordert auf der Ebene der Musikschulleitung stärker als bisher Kompetenzen im Bildungsmanagement. Die kluge, weitsichtige und ideenreiche Führung und Leitung der Musikschule wird immer stärker der Gewährleistungsfaktor, dass die einzigartigen Wechselbeziehungen und Wechselwirkungen der Musikschule im öffentlichen Bildungsauftrag optimal zur Entfaltung gelangen können – nämlich Kinder und Jugend­liche gerade durch die organische Vernetzung der Angebotssegmente der Musikschule für ihr gelingendes Aufwachsen mit Musik, für ihr aktives, gemeinschaftliches Musizieren mit bestmöglichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zu versorgen und auszustatten.

Hochschulen können nicht alles leisten

Lehrkräfte an Musikschulen sollten die heute erforderlichen Kompetenzen im Rahmen ihres Studiums erlangen können. Diesen Erfordernissen versuchen die Ausbildungsstätten, in erster Linie die Hochschulen, nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Doch sind die Reaktionsgeschwindigkeiten auf neue Erfordernisse systembedingt nicht dieselben, die von der Anforderungspraxis formuliert und definiert werden. Die Halbwertszeit mancher Musikalisierungsprogramme ist zuweilen auch nicht geeignet für die Ausrichtung von Studiengängen und Prüfungsanforderungen (man denke etwa an die überschaubare Laufzeit und den traurigen, aber vorhersehbaren Niedergang eines Programms wie MuSE).
Und auf das Beispiel der Musikschulleitungen bezogen: Der Ausbildungssektor liefert nur bedingt kompetentes Personal für die Führung und Leitung eines solchen Systems, wie es Musikschulen darstellen. Keiner der zahlreichen Studiengänge im Bereich Kulturmanagement greift die Komplexität der Anforderungen an Musikschulleitungen angemessen auf. Diese Anforderungen betreffen Fragen der Verbindung von Musikpädagogik mit Personalführung, mit Zeit- und Konfliktmanagement, der Verknüpfung mit Know-how in Verwaltung und Organisation; sie betreffen (Polit-)Marketing, Haushaltsangelegenheiten und betriebliches Rechnungswesen, Öffentlichkeitsarbeit, Qualitätsmanagement und das weite Feld von Rechtsfragen – und wirklich nicht zuletzt den Aspekt von Kunst und auch Emotionalität, die Musik genuin innewohnen und den Zauber für die Menschen nach wie vor ausmachen.
Hier nun kommt dem Sektor der Fort- und Weiterbildung entscheidende Bedeutung zu – hier erwächst sein genuiner Auftrag. Während im Bereich der musikpädagogischen, methodischen und didaktischen Fort- und Weiterbildung vorwiegend die Bundes- und Landesakademien zuständig sind und angemessene Konzepte, Lehrgänge und Seminare als Modelle entwickeln und sie kontinuierlich in ihre Programme aufnehmen, sind die Landesverbände der Musikschulen vor Ort aktiv: mit zeitnah entwickelten Fortbildungsangeboten, die – nicht nur als „Erstversorgung“ – passgenau und konkret auf aktuelle Anforderungen eingehen, etwa auf Erfordernisse eines neuen Landesförderprogramms oder spe­zifischer Kooperationsanforderungen.

Aufgabe des Verbands

Die Auftragslage des VdM als Bundesverband liegt im Bereich von Fort- und Weiterbildung – vor dem Hintergrund einer Teilung von Aufgaben und Zuständigkeiten im Sinne einer Verantwortungspartnerschaft von Bundes- und Länderebene – in der Entwicklung von Modellfortbildungen und in der Bereitstellung von überfachlichen Angeboten, so etwa mit dem Fortbildungsportfolio des „FührungsForum Musikschulen“. Hier werden für alle Ebenen des Musikschulmanagements gleichermaßen umfassend konzipierte Lehrgänge angeboten wie kompakte Seminare für einzelne abgegrenzte Bereiche. Beispiele sind etwa der breit angelegte Berufsbegleitende Lehrgang „Führung und Leitung einer Musikschule“ oder das auf konkrete Fragestellungen eines immer wieder wechselnden, spezifischen Teilnehmerkreises ausgerichtete Seminar „Rechtsfragen an Musikschulen“. Die Landesverbände wiederum legen ihren Fortbildungsschwerpunkt eher auf fachlich-inhaltliche Themen, auf pädagogische und didaktische Fragen, die zeitnah aktuelle Trends und Fortbildungsbedarfe aufgreifen. Hierbei spielen sicher landesspezifische Situationen und Entwicklungen eine Rolle, auch vor dem Hintergrund von Förderstrukturen oder konkreter Programme.
Diese Weiterbildungen und Fortbildungen auf Bundes- und Landesebene durch die Verbände und Akademien werden ergänzt durch (inner-)betriebliche Fortbildungen vor Ort, durch regionale oder Inhouse-Angebote, durch Fortbildungen der Kommunen, aber auch durch vielfältige Eigeninitiative von Lehrkräften und Schulleitungen.
Denn bei allen struktur- und auftragsbedingten Fortbildungserfordernissen gilt in starkem Maße der Individualbezug und die Anforderungen an den Einzelnen im Sinne lebenslangen Lernens. Maßgebliche Aspekte sind hier die Vertiefung, Erweiterung oder Erneuerung von Kompetenzen als Zusammenwirken von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Dies erfolgt meist als Anpassungs- oder Erweiterungsfortbildung in unterschiedlichen Formen und Kontexten: als klassischer Lehrgang, als training on the job, als integ­rierte Fortbildung (blended learning), die Elemente zeit- und ortsunabhängigen Lernens enthält, und anderes mehr.
In solchen Fortbildungen spielen handlungsorientierter Unterricht, Projektarbeit und vielfältige Formen selbstgesteuerten Lernens eine wichtige Rolle. Gestaltungselemente können dabei zum Beispiel Planspiele, Coaching oder Zukunftswerkstätten sein. Die Reihe der Beispiele ließe sich lange fortsetzen – wichtig ist stets die mehrdimensionale Ausrichtung von Fortbildungen, die in unterschiedlicher Gewichtung ausbalanciert sein und Aspekte der Musikpädagogik, der Pädagogik für Kinder und Jugendliche und auch der Erwachsenenpädagogik berücksichtigen müssen. Denn die Situation ist immer so, dass gestandene Kolleginnen und Kollegen mit diesen Fort- und Weiterbildungen angesprochen werden, die ihr kompetentes, selbst­ständiges Handeln in das Organisa­tions- und Bezugssystem der Musikschule einbringen und ihr musikpädagogisches Handeln vorwiegend auf Kinder und Jugendliche und deren sich wandelnde Lebenswelten hin ausrichten.

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