Spiekermann, Reinhild

Professionell von Anfang an

Zu Beginn einer geplanten Selbstständigkeit sollte die eigene Organisationsstruktur bedacht werden

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 1/2014 , musikschule )) DIREKT, Seite 09

Unter dem Titel „Ich mache mich selbstständig – aber wie?“ informierte Reinhild Spiekermann in der vergangenen Ausgabe darüber, was man als freiberufliche Instrumentallehrkraft zu beachten hat. Im folgenden Beitrag werden einige Aspekte zu den Bereichen „Management“ und „Organisation“ vertieft.

„Mama, was macht eigentlich ein Manager?“ Die Antwort am Abendbrottisch ist leicht und lautet ungefähr so: „Manager führen ein Unternehmen und eine Vielzahl von Menschen in eine gemeinsame und beabsichtigte Zukunft. Sie planen, organisieren, führen und kontrollieren. Und meistens verdienen sie ziemlich viel Geld. Alles klar?“ – „Aber Mama, was macht eigentlich ein Selbstmanager?“ Die Mutter schweigt und überlegt kurz, ob sie den Kindern die Komplexität des Begriffs „Selbstmanagement“ nahe bringen soll. Sie entscheidet sich aus pragmatischen Gründen für die Kurzfassung und erläutert, dass es vor allem um die Frage geht, wie ich mich selbst organisiere. Das finden die Kinder logisch und das Gespräch geht wieder zum Fußball über.
Bernd Dahlhaus hat in der vergangenen Ausgabe von musikschule )) DIREKT sehr begründet für eine erweiterte Auffassung von „Selbstmanagement“ geworben, in deren Zentrum Selbstbeobachtung, Selbstachtung, Selbstreflexion und das Erleben von Selbstwirksamkeit stehen. Im Verbund mit diesen Kompetenzen kann es gelingen, das Sich-Selbst-Organisieren zu einer authentischen Angelegenheit werden zu lassen.
Auch hier geht es wieder um Professionali­sierung, nämlich darum, endlich das Image des „sozial zweitklassigen Privatmusiklehrers“,1 das immer noch aus dem 19. Jahrhundert herüberweht, abzustreifen. Damit dies gelingt, muss man sich professionell aufstellen, sich auch ganz klar abheben von pseudoprofessionellen Lehrpersonen, die übrigens im 19. Jahrhundert schon als „Scharlatane“ bezeichnet wurden!

Ort und Raum

Wenn es bei Immobilienmaklern immer so schön heißt: „Lage, Lage und noch einmal: Lage!“, so kann man das eins zu eins auf den Unterrichtsort eines Instrumental­pädagogen übertragen. Was nützt einem das schönste Atelier in einer problematischen Lage? An der Ausstattung bzw. Einrichtung eines Raums kann man mit etwas Geschick sehr viel ändern, den Güterbahn­hof gegenüber kann man nicht verlegen. Was ist eine günstige Lage? Mögliche Kriterien für einen geeigneten Ort können – in Abhängigkeit von der Zielgruppe, die man ansprechen möchte – sein: Nähe zum Wohnort der Hauptzielgruppe, städtebauliches Umfeld, Verkehrsanbindung, Parkmöglichkeiten etc.2
Grundsätzlich muss eine Entscheidung gefällt werden, ob es sich bereits zu Beginn einer selbstständigen Tätigkeit lohnt, einen separaten Raum anzumieten, müssen doch sämtliche Kosten, die dieser Raum ver­ursacht, zusätzlich erwirtschaftet werden (Informationen zur steuerlichen Behandlung in einem der nachfolgenden Beiträge). Alternativ kann man über gemeinschaft­liche Nutzung von Räumen nachdenken, entweder gemeinsam mit KollegInnen – Bedingungen klar regeln: Unter Umständen zeichnet sich hier bereits der Weg zu einer privaten Musikschulen ab! – oder in Form einer entgeltlichen Mitnutzung von Räumen anderer Einrichtungen (Kindergärten, Schulen, Vereine, Kirchen, Jugendzentren o. Ä.).
Eine finanzielle und in punkto Organisa­tion ideale Variante ist sicherlich, ein Studio oder Atelier von der eigenen Wohnung abzugrenzen, wenn möglich sogar mit separatem Eingangsbereich. Ein in die Wohnung direkt integrierter Unterrichtsbereich ist zwar am einfachsten einzurichten, jedoch müssen mögliche Nachteile gut abgewogen werden: Schaffe ich es, immer ein aufgeräumtes Ambiente zu bieten? Darf ich mit Knoblauch nur noch am Wochenende kochen? Was ist mit Kindern oder dem Hund? Und der Störfaktor Telefon, auch wenn es nur die privaten Anrufe im Nebenraum sind?

Fallbeispiel 1: Musikschule Saltarello

Eine meiner früheren Studentinnen, Chris­tina Manook, hat sich mit großem unternehmerischen Geschick und der nötigen Portion Glück erfolgreich selbstständig gemacht: www.saltarello-musikschule.de. Ihr Weg begann am Studienort zunächst als Honorarkraft an einer großen kommunalen Musikschule in den Bereichen EMP und Blockflöte. Nach weiterer, jedoch befristeter Tarifanstellung erfolgte aus privaten Gründen ein Umzug in eine andere Stadt und damit zunächst in die Arbeits­losigkeit. Der Neuanfang – in einem Stadtteil mit glücklicherweise hohem Kinderanteil – setzte sich aus vielen kleinen Mosaik­steinen zusammen: eigenes Angebot strukturieren, Flyer entwerfen, Zettel aushängen, Infozettel zu Fuß und damit persönlich verteilen, Kindergärten ansprechen, Internetpräsenz vorbereiten, Gebührenstruktur, „Papierkram“ etc.
Es gelang ihr, in einem Kindergarten nachmittags einen Raum anzumieten und mit ersten Unterrichtsgruppen zu starten. Parallel dazu verfolgte sie die Variante, mit ihrem Instrumentarium (Minimalausstattung in einer Art Handwagen) in andere Einrichtungen zu gehen, um dort zu unterrichten. Mund-Propaganda und hohe Präsenz bei Aktionen im Stadtteil führten rasch zu weiteren Unterrichtsnachfragen, sodass sie sich entschloss, eigene, großzügige Räumlichkeiten anzumieten. Diese wurden noch auf die Bedürfnisse vor allem von Elementargruppen umgebaut; es entstanden ein Kursraum (65 qm), ein Vorraum mit Umziehmöglichkeit, ein Lagerraum und Sanitärbereich. Durch Expan­sion (inzwischen arbeiten weitere sechs Lehrkräfte im Team) wurde vor einiger Zeit ein weiterer Raum im Souterrain des Gebäudes hinzugenommen.
Der Gründerzuschuss der Bundesagentur für Arbeit (Förderkriterien unter www.arbeitsagentur.de > Bürgerinnen und Bürger > Finanzielle Hilfen > Existenzgründung) ermöglichte Christina Manook ein allmähliches (wenngleich von Anfang an vollständig durchdachtes) Anschaffen und Vervollständigen des notwendigen Instrumentariums und Zubehörs. Farblich fallen die warmen Gelb-/Orange-/Rottöne auf, die sich auch im Web-Design wiederfinden. Kindgerechtes Mobiliar sowie einladende Sitzgelegenheiten für Erwachsene nebst Garderobe sprechen Besucher der Musikschule direkt an.

Fallbeispiel 2: Musik auf Rädern

Eine in letzter Zeit verstärkt anzutreffende Variante ist der „Unterricht auf Rädern“. Gemeint ist damit, dass der Instrumentallehrer (gegebenenfalls ein Team aus Lehrkräften) mobil ein ganzes Gebiet oder einen Stadtteil mit Unterricht „versorgt“. Googelt man „Instrumentalunterricht“ bzw. „Musikunterricht“ gepaart mit Wörtern wie „mobil“ oder „zu Hause“, landet man bei unterschiedlichsten Geschäftsmodellen. Geworben wird mit dem für Erziehungsberechtigte wegfallenden Anfahrtsweg, mit vertrautem Ambiente („daheim“), oft einhergehend mit weiteren Serviceleistungen (Instrumentenvermittlung, zusätzliches Tutorial via Skype, Vermittlung von Lehrkräften in anderen Gebieten o. Ä.). Kalkuliert werden solche Angebote meist transparent, der Kunde erfährt, welchen Aufpreis (je nach Anfahrtsweg) er für den Hausbesuch zu zahlen hat.
Zugegeben: Viele dieser Modelle wirken aus der Not heraus geboren, bei manchen schreckt bereits der Internetauftritt ab. An einem äußerst gelungenen Beispiel möchte ich jedoch darlegen, dass die Mobilvariante funktionieren kann, wenn die Konzeption sehr gut und die Zeit dafür reif ist. „Musik auf Rädern – Ambulante Musiktherapie“ wurde 2003 von vier Diplom-Musiktherapeutinnen gegründet, seit 2005 wird das Dienstleistungsunternehmen aus Münster als Franchise-Unternehmen geführt: www.musikaufraedern.de.
Inzwischen gibt es in 17 Städten entsprechende Franchisenehmer, die das Konzept umsetzen. „Wir bringen Musik ins Haus“ steht als Firmenmotto auf den Autos, je nach Profil des einzelnen Franchisenehmers gibt es zusätzlich auch instrumen­tal­pädago­gische Angebote für Kinder und Jugend­liche.
In einer sich demografisch rasant verändernden Gesellschaft könnte das „bewegliche Arbeitsplatzmodell“, das Instrumentalunterricht zu Menschen bringt, die nicht mehr mobil sein können, eines der Zukunft sein.

Ausstattung

Instrumente, Noten, Bücher, PC, Medien, Mobiliar… Lang ist die Liste der Dinge, die zu Beginn einer freiberuflichen Unterrichtstätigkeit angeschafft werden müssen. Abhängig vom Instrument wird man über Schülerinstrumente nachdenken müssen; für PianistInnen stellt sich die Frage, ob ein vorhandenes, eventuell wertvolleres Inst­rument benutzt werden oder lieber ein Zweitinstrument gekauft werden soll.
Die Einrichtung einer Bibliothek möchte ich – den Möglichkeiten der Downloadportale zum Trotz – dringend empfehlen. Nichts ist schöner, als vor einem Bücher­regal zu stehen und aus dem Vollen zu schöpfen, für seine SchülerInnen neue Literatur zu überdenken, Nachschlagewerke zu zücken oder sich einfach an einer Leinenausgabe zu erfreuen!
Bei der Medienausstattung hängt es sehr vom Unterrichtsprofil ab, in welchem Maß man die Möglichkeiten digitaler Medien konzeptionell einbringen möchte. Die „Checkliste Medienausstattung“ ist ein Vorschlag zur medialen Erstausstattung, grundsätzlich gilt aber: Guter Unterricht kann auch ohne diese Hilfsmittel funktionieren!
Man muss kein Schöner wohnen-Experte sein, um die Möblierung seines Unterrichtsraums ansprechend vorzunehmen. Wie im Fallbeispiel 1 erwähnt, ist es sehr angenehm, wenn Farben und verwendete Materialien gut aufeinander abgestimmt und darüber hinaus von hoher Funktionalität sind. Mit geschicktem Einsatz von Lichtquellen lassen sich auch dunklere Räume gut „inszenieren“. Eine Ideenquelle für Kreative (und handwerklich Begabte) kann das „crowddesign“ sein. Von sich reden macht der Architekt Van Bo Le-Mentzel, der mit Hilfe der „crowd“ (also einer Menschenmenge) Designideen im Internet zusammenträgt (www.hartzivmoebel.de).
Pädagogisch verantworteter Unterricht um­fasst eine gute Planung für die Schüler in ihren jeweiligen Unterrichtssequenzen. Hierfür ist eine Struktur anzulegen: Das „alte“ Karteikastensystem und digitale Verwaltung haben ihre jeweils eigenen Vorteile. Bei Stefan Lindemann3 finden sich im Anhang Musterlisten mit Ideen, wie man Vorgespräch, Anwesenheit oder pädagogische Beurteilung protokollieren kann.
Ein digitales Instrument ist beispielsweise die Software qupil (zum kostenlosen Down­load unter www.lehrsaiten.de), die darüber hinaus weitere Daten erfassen kann: Teilnahme von SchülerInnen an Ensemb­les, an Vorspielen, gespielte Stücke, Bibliotheksdaten etc. Bento oder CUEcards sind hingegen elektronische Zettelkästen, die unterschiedlichsten Zwecken dienen können und deshalb von jedem individuell eingerichtet werden müssen. Zu überlegen bleibt, ob man pädagogische und buchhalterische Daten trennt oder in einem System erfasst.

1 vgl. Michael Roske: „Umrisse einer Sozialgeschich­te der Instrumentalpädagogik“, in: Chris­toph Richter (Hg.): Instrumental- und Vokalpäda­gogik 1: Grundlagen (= Handbuch der Musikpädagogik, Bd. 2), Kassel 1993, S. 158-196, hier: S. 175.
2 vgl. Stefan Lindemann: Marketing und Management für Musikpädagogen, Kassel 2002, S. 27.
3 s. Lindemann, Anhang.