Smole, Ernst
Projekt „Violinviola in F“
Wie kann man das Problem lösen, dass oft zu wenig Viola-SpielerInnen im (Musik-)Schulorchester sind?
In vielen Weltgegenden mangelt es an ViolaspielerInnen – und zwar sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht. Dies betrifft sowohl den professionellen Orchesterbereich (dort gibt es bei Violaprobespielen meist deutlich weniger BewerberInnen als bei Violine und Violoncello) als auch alle Arten von Jugend- und Schulorchestern.
Eine Ausnahme scheinen Highschools in den USA zu sein: die „freshmen“ (5. Schulstufe, 10- bis 11-Jährige) beginnen den Unterricht auf allen Streichinstrumenten gemeinsam in Orchesterform und von Beginn an sind die Violen besetzt – die Kinder beginnen also mit Viola, was in unseren Breiten selten ist. Ob dieser Weg allerdings hinsichtlich der Instrumentenhaltung ideal ist, müsste näher betrachtet werden.
Es ist erfahrungsgemäß sehr schwierig, erfolgreiche junge GeigerInnen zu ViolaspielerInnen „umzufunktionieren“: Die Mensur auf der Viola ist (meist) größer als bei der Geige, daher schmerzen die Finger, die Intonation ist ein Problem. Ein neuer Schlüssel ist zu lernen. Die Viola hat ein geringes Sozialprestige und es gibt keine attraktive Wettbewerbsszene für Viola. Violine und Viola parallell zu spielen ist – zumindest bei Kindern und Jugendlichen – kaum üblich: zwei Instrumentenkästen in der Hand, zwei Schlüssel im Gedächtnis. Außerdem haben viele Lehrkräfte eine Scheu davor, GeigerInnen zur Bratsche zu bringen – man fürchtet, die SchülerInnen zu verlieren.
Der übliche Weg, im Jugend- oder Schulorchester die Viola durch 3. Geigen in Original-Geigenstimmung zu ersetzen (g, d', a', e''), ermöglicht zwar die Wiedergabe des mittleren und höheren Violaregisters, nicht aber die Töne der Unterquint c‑g.
Die Johannes Brahms Musikschule in Mürzzuschlag (Österreich) entwickelte vor einigen Jahren mit der „Violinviola in F“ einen Weg, um genügend ViolaspielerInnen in die Schul- und Jugendorchester zu bringen. Wir nehmen eine normale 1/1‑Violine und ziehen originale Violasaiten (bzw. solche für kleinere Violen) auf. Sie werden wie bei der Viola üblich gestimmt (c, g, d', a'). So können alle Noten einer originalen Violastimme gespielt werden.
Handschriftlich, mit Scanner oder Notenschreibprogramm des PC transponieren wir die originale Violastimme um eine Quint nach oben und notieren sie im Violinschlüssel, eine Notation analog dem Waldhorn in F oder dem Englischhorn in F. Nun ist es jedem Violinspieler möglich, ohne jede Vorbereitung die „Violinviola in F“ zur Hand zu nehmen und von den im Violinschlüssel geschriebenen Noten die originale Violastimme zu spielen. Der Klang ist zwar nicht so voll wie bei einer originalen Viola, aber durchaus brauchbar.
Es ist nicht nötig, dass die SchülerInnen die „Violinviola in F“ mit nach Hause nehmen. Violastimmen sind technisch meist einfacher als die Geigenstimmen. Oft sind Violastimmen allerdings denen der 2. Geigen ähnlich (Begleitfiguren), sodass es nahe liegend ist, 2. GeigerInnen mit dem Spielen der „Violinviola in F“ zu betrauen.
Am praktikabelsten wäre es, im Probensaal ständig einige „Violinviolas in F“ bereitzuhalten. So kann der Lehrer bitten: „Maria, Klaus, Johanna, Leopold, heute sind zu wenige Violaspieler da. Bitte seid so gut und helft uns auf der ,Violinviola in F‘ – danke!“ Diese Kinder sind nun plötzlich „wichtig“: Dies ist auch ein wichtiger erster Schritt zur „Reparatur“ des Sozialprestiges der (künftigen) ViolaspielerInnen.
Die Erfahrungen an der Johannes Brahms Musikschule zeigen, dass auf diese Weise die besten Violaspieler zu ihrem Instrument fanden: Einige SchülerInnen hatten Freude daran, fallweise (oder ständig) die „Violinviola in F“ zu spielen, und wechselten in der Folge gänzlich zur originalen Viola und genossen sichtlich deren sonoren Klang. Auch gab es kein Problem mehr mit dem angeblich problematischen Sozialprestige der Viola – die jungen MusikerInnen mutierten zu stolzen und erfolgreichen Original-Violaspielern.
Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 3/2010.