Thielemann, Kristin

Ratgeber und Erinnerungsstück

Eine Schülerzeitung an der Musikschule

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 4/2012 , Seite 28

Es gibt viele Schülerzeitungen, sogar Schülerzeitungswettbewerbe. Für eine allgemein bildende Schule gehört es quasi zum “guten Ton”, dass interessierte SchülerInnen die Möglichkeit haben, eine eigene Zeitung herauszugeben. Von einer Schülerzeitung in völliger Eigenregie bis zur von Lehr­kräften geleiteten Schülerzeitungs-AG ist alles dabei. Aber wie sieht es mit Schülerzeitungen an einer Musikschule aus?

Sicher kennt man den einen oder anderen kleinen Schülerbeitrag im offiziellen Verlautbarungsblatt einer Musikschule – obwohl nur die wenigsten Musikschulen auch eine Musikschulzeitung haben. Aber eine Schülerzeitung an der Musikschule zu machen, das ist eine noch ungewöhnlichere Idee. Dabei bietet das Leben von MusikschülerInnen so viel Interessantes und Wissenswertes und als Inst­rumentallehrerIn weiß man meist gar nicht, wie viel davon überhaupt bei den Eltern der Kinder ankommt. Man sucht immer wieder nach neuen, kreativen Dingen, die den Instrumentalunterricht „würzen“, und wenn man ein tolles „Rezept“ gefunden hat, kommt es meist nur den eigenen SchülerInnen zugute. Der Austausch mit KollegInnen ist auf Lehrerkonventen und in Fachgruppen zwar möglich und erwünscht, doch gibt es zu diesen Anlässen oft so viel Organisatorisches zu besprechen, dass für fachlichen Austausch zu wenig Zeit bleibt.
Auch die Außenwirkung der Musikschule ist der Schulleitung und den Musikschullehrkräften nicht immer ganz klar. Wie kommt meine Schule in der Stadt oder der Gemeinde an? Werden die (hoffentlich) regelmäßig erscheinenden Zeitungsartikel von der Politik und der Bevölkerung wahrgenommen?
Alle diese Überlegungen stellte ich an, bevor ich mich dazu entschied, den Versuch zu wagen, eine Schülerzeitung allein mit Beiträgen meiner 23 InstrumentalschülerInnen (Trompete, Kornett, Es-Horn) der Musikschule Weinfelden (Schweiz) zu bestreiten. Mein Schulleiter, der meine Unterrichtsmethoden von Outdoor-Unterricht bis zu alters- und niveaudurchmischtem Lernen bereits gewöhnt ist, war nach kurzem Gespräch einverstanden, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt noch keine genaue Vorstellung davon hatte, was alles auf mich zukommen würde.

Vorbereitung und ­Themenliste

Zunächst weihte ich die SchülerInnen in meine Pläne ein und schlug jedem ein Thema vor, von dem ich glaubte, dass es ihn begeistern, zu seinem Leistungsstand und seinem Alter passen könnte. Ich diskutierte in den Unterrichtsstunden mit den Kindern und Jugendlichen darüber, was andere Menschen an „ihrem“ Thema interessieren könnte und wie umfangreich ihr Beitrag sein sollte. Die Eltern informierte ich per E-Mail über das Vorhaben und schickte ihnen eine Liste, auf der jeder Schüler und jede Schülerin mit seinem bzw. ihrem jeweiligen Thema zu finden war, außerdem den Zeitpunkt, bis wann alle Beiträge bei mir eintreffen sollten.

Themenliste
Silvan (9 Jahre) – Ich spiele seit fünf Monaten Trompete: Was ich in dieser Zeit alles gelernt und gespielt habe
Serafin (9 Jahre) – Komposition im 6/8-Takt über Ringelnatz’ Die zwei Ameisen
Michaela (10 Jahre) – Mein erster Auftritt mit der Trompete
Fabio (10 Jahre) – Über die Aufnahme meiner Weihnachts-CD
Andrea und Fabienne (10 und 11 Jahre) – YoungBrass-Ausflug: Zelten und Konzert in Altnau
Lorena (10 Jahre) – Stufentest Musik 2011 in Weinfelden
Sina (10 Jahre) – Schülerausflug: Unser Besuch beim Instrumentenmacher
Matthias und Urs (beide 11 Jahre) – Einzelunterricht/Gruppenunterricht im Vergleich
Remo (11 Jahre) – Mein Weihnachtsauftritt mit YoungBrass
Lina (12 Jahre) – Mein Trompetengöttibueb („Trompeten-Patenkind“)
Vera (13 Jahre) – Begabtenförderung Musik Thurgau
Julian (13 Jahre) – Improvisationen im Blues-Schema
Ria und Jasmin (12 und 15 Jahre) – Unsere Zeit im Musiklager in Zuoz
Pascal (14 Jahre) – Ein neuer Lehrer im Trompetenunterricht: Das ist jetzt anders
Manuel (14 Jahre) – Kornett spielen mit fester Zahnklammer
Livia (15 Jahre) – Jugendbrassband Ostschweiz Lager
Fabio (15 Jahre) – Musik arrangieren mit dem Computer
Mike (14 Jahre) – Musikerberufe im Fokus: Mein Praktikum beim Instrumentenmacher
Fabian (15 Jahre) – Das sind tolle Stücke für fortgeschrittene Trompetenschüler
Elias (15 Jahre) – Musizieren mit dem iPad

Struktur meiner ­Schülerschaft

Meine SchülerInnen sind zwischen neun und 15 Jahre alt, 13 Jungen und zehn Mädchen. Vom Anfänger bis zu SchülerInnen in der Begabtenförderung Musik, die möglicherweise BerufsmusikerInnen werden möchten, ist alles dabei. Auch die übliche Durchmischung von weniger fleißig bis sehr fleißig, durchschnittlich bis hochbegabt ist gegeben.
In meinem Instrumentalunterricht ist es mir wichtig, dass die SchülerInnen lernen, genau mit dieser Heterogenität zu leben, sie zu schätzen, voneinander zu lernen und ein Team zu bilden. Doch diese Teambildung ist gerade in einer Musikschule nicht immer leicht: Ich unterrichte an drei Tagen in der Woche für die Musikschule Weinfelden, davon an zwei Tagen in verschiedenen Schulhäusern kleinerer Orte der Umgebung, damit es die Kinder nicht so weit zum Unterricht haben, und einen Tag in Weinfelden, dem Hauptort des Bezirks mit etwa 10000 Einwohnern. Viele SchülerInnen kennen sich durch „Young­Brass“, eine von mir geleitete, wöchentlich probende Jugend-Brassband; ­einige kennen sich durch die Schule, aber manche hätten ohne zusätzliche „Events“ im Trompeten­unterricht gar keinen Kontakt zueinander.

Die Schülerbeiträge ließ ich zum Großteil unverändert und half den jungen AutorInnen lediglich bei Rechtschreibung und Kommasetzung.

Aus diesem Grund versuche ich immer wieder, alle SchülerInnen zu gemeinsamen Schülerkonzerten, Stufentests, Konzertbesuchen, Schülerausflügen, Instrumenten-Putztagen oder zum Beispiel einer Werkstatt­besichtigung beim Instrumentenmacher zusammenzubringen. Dabei muss ich stets eine gute Mischung zum auch in der Schweiz recht zeitintensiven Schulalltag finden, der sich bereits in den unteren Jahrgangsstufen außer mittwochs immer bis in den Nachmittag hineinzieht. Die meisten SchülerInnen haben noch andere Hobbys wie etwa eine Sportart, die sie am Nachmittag oder Abend betreiben und die auch am Wochenende mit Punktspielen, Wettkämpfen oder Trainingseinheiten ihre Zeit fordert.
Ich finde es aber auch wichtig, dass die Familien bereits von Beginn des Instrumentalunterrichts an merken, dass es mit 30 Minuten Einzelunterricht und gelegentlichem häus­lichen Üben nicht getan ist, sondern dass Musik viel mehr bedeutet, als bloß sein Instrument zu beherrschen und ein wenig Kultur zu schnuppern. Der Instrumentalunterricht sollte und darf sich die Zeit nehmen, um damit das Zeichen zu setzen: Ich bin wichtig und ich brauche diese Zeit. Nur dann wird die Ins­titution Musikschule auch als etwas Wichtiges wahrgenommen.

Umsetzung der ­Schülerzeitung

Nachdem die meisten Beiträge entweder im Unterricht – oft als kunstvoll verziertes Blatt mit schön geschriebenen Texten, manche auch als Computerausdruck – oder per E-Mail, manche sogar über die Nachrichtenfunktion bei Facebook bei mir eingegangen waren, machte ich mich an die Umsetzung und Gestaltung der Zeitung. Diese Arbeit wollte ich selbst übernehmen, da ich der Meinung bin, dass diese Tätigkeit zwar auch für SchülerInnen interessant sein kann, es aber nicht primär zu meinen Aufgaben als ­Instrumentallehrerin gehört, dies zu betreuen. Mit meiner Eigenleistung beim Eintippen und Setzen habe ich versucht, meinen persönlichen Zeitaufwand so gering wie möglich zu halten.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2012.