Simon, Jürgen

Recht ungeschützt!

Auch bei einem langjährigen Vertragsverhältnis mit einer Rechtsschutz­versicherung lohnt ein Blick ins Kleingedruckte

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 4/2015 , musikschule )) DIREKT, Seite 05

Eine Rechtsschutzversicherung kann im Falle eines Rechtsstreits enorm wichtig sein. Wie gut der Schutz tatsächlich ist, zeigt sich allerdings erst, wenn der Ernstfall eingetreten ist.

Vor Kurzem hatte ich einen Rechtsstreit mit meiner Bank. Daher hatte meine Rechtsanwältin einen Antrag auf die Erteilung einer Deckungszusage bei der Rechts­schutzversicherung gestellt. Bereits einen Tag, nachdem die Rechtsschutzversicherung die Zusage an meine Anwältin verschickt hatte, erhielt auch ich Post von der Versicherung: Nach gründlicher Begutachtung des Schadensverlaufs sehe man sich leider außer Stande, das Versicherungsverhältnis fortzusetzen und kündige daher gemäß §12 der Versicherungsbedingungen zum nächsten Monatsende. §12 legt unter anderem fest, dass die Versicherung den Vertrag bereits nach dem zweiten Versicherungsfall innerhalb von zwölf Monaten kündigen kann – und tatsächlich hatte ich die Rechtsschutzversicherung einige Monate zuvor wegen einer anderen Angelegenheit in Anspruch genommen.
Nun kann man natürlich in einem solchen Fall eine neue Versicherung suchen, doch ergeben sich dabei zwei gravierende Prob­leme. Zum einen fragen viele Versicherungen beim Abschluss, ob man von einer vorigen Versicherung gekündigt wurde, und lehnen in einem solchen Fall möglicherweise eine Versicherung ab.
Viel schwerer wiegt jedoch, dass eine Rechts­schutzver­sicherung nur dann für einen Rechtsstreit aufkommt, wenn dessen Beginn innerhalb der Versicherungslaufzeit lag. Wenn z. B. ein Angestellter gegen eine Kündigung klagen muss, kann es durchaus sein, dass eine Versicherung die Deckungszusage verweigert, weil eine möglicherweise vorausgegangene Abmahnung vor dem Abschluss der Versicherung lag, diese Abmahnung aber mit ursächlich für die Kündigung war.
Aus diesem Grunde ist es bei einer Rechtsschutzversicherung wichtig, diese nicht jedes Jahr zu wechseln, sondern möglichst lange denselben Vertrag zu behalten. Gegen eine Kündigung durch die Versicherung ist man jedoch weitestgehend machtlos, da die Versicherung nicht einmal eine Vorwarnung verschickt – etwa in der Art: Vorsicht lieber Kunde, wenn wir diesen Fall tatsächlich übernehmen sollen, werden wir die Versicherung anschließend kündigen. Daher muss man sich vor jedem Fall fragen, ob die Sache so wichtig ist, dass man seinen Versicherungsschutz dafür riskiert.
Gegen eine solche Kündigung hilft es auch nicht, vorher lange Jahre Kunde der Versicherung gewesen zu sein. In meinem Fall hatte ich 18 Jahre denselben Versicherungsvertrag, ohne ihn auch nur ein einziges Mal in Anspruch genommen zu haben, und wurde dennoch bei der ersten Gelegenheit gekündigt.
Wenigstens für den existenziellen Bereich des Arbeitsrechtsschutzes gibt es aber eine sichere Alternative: Wer in einer Gewerkschaft ist, bekommt von dieser Gewerkschaft Rechtsschutz in allen arbeitnehmerrelevanten Bereichen. Die Gewerkschaften ver.di und GEW bieten auch Rechtsschutz für freie Mitarbeiter (zum Beispiel an Musikschulen). Sogar freischaffende Musiklehrerinnen und -lehrer und Künstlerinnen und Künstler bekommen insbesondere im Bereich von Verträgen und Honoraren Rechtsschutz durch die Gewerkschaft. Und ganz wichtig: Die Gewerkschaft kündigt den Rechtsschutz nicht, egal wie oft er in Anspruch genommen werden muss!