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Anello, Yonju

#recorder #fyp #tiktok

TikTok – neue Impulse für den Blockflötenunterricht?! Ein Versuch

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 3/2025 , Seite 26

Neben YouTube und Instagram hat sich vor allem die Video-App TikTok bei Kindern und Jugendlichen durchgesetzt. Das KI-gesteuerte Tool beeindruckt mit kurzformatigen Videos, die maßgeblich durch Musik und Trend-Challenges geprägt sind. Mit Blick auf die Instrumentalpädagogik stellt sich die Frage, inwiefern Social-Media-Plattformen für Musikvermitt­lung und Unterricht geeignet sind und welche Möglichkeiten sich für die musikalische Bildungsarbeit ergeben.

Besitzt TikTok das Potenzial, Inspirationen und Impulse zu liefern, um innovative methodische Ansätze zu entwickeln? Kann die Verwendung die Motivation zum Üben und Musizieren fördern? Oder sind pädagogische Anregungen in TikTok nicht zielführend umzusetzen? Im Alter von 13 bis 18 Jahren entscheiden sich viele SchülerInnen, den Musikunterricht zu beenden. Vorrangige Gründe sind Zeitmangel aufgrund schulischer Verpflichtungen und anderer Freizeitaktivitäten. Des Weiteren spielen körperliche Veränderungen sowie die Auseinandersetzung mit der eigenen Identitätsfindung eine bedeutende Rolle. Diese Faktoren erschweren es Jugendlichen zunehmend, sich für den Unterricht zu motivieren, was auch ihre Bereitschaft zum Üben negativ beeinflusst. Die anfängliche Begeisterung und Neugierde lassen nach, was häufig in eine Motivationskrise führt. Um dem entgegenzuwirken, ist es erforderlich, neue Lernatmosphären zu schaffen und verschiedene Musikkulturen in den Unterricht zu integrieren, um SchülerInnen eine freie und selbstbestimmte Ausdrucksweise zu ermöglichen.1 Kann TikTok dabei helfen, eventuelle Motivationskrisen zu überwinden?

Wie funktioniert TikTok?

TikTok ist aktuell eine der meistgenutzten Social-Media-Plattformen weltweit mit 1,56 Milliarden Usern.2 In Deutschland nutzen über 19,2 Millionen User die App, wobei 33 Prozent die Altersklasse von 14 bis 25 Jahren ausmachen.3 Der Ursprung ist auf die Musik-App musical.ly zurückzuführen, die sich 2014 auf dem App-Markt positionierte. User nahmen 15 bis 60 Sekunden lange Videos auf, indem sie einen Song oder einen Mono- oder Dialog mit Lippensynchronisation imitierten. Der Gründer des Unternehmens Byte-Dance, Zhang Yiming, übernahm musical.ly und führte es mit TikTok zusammen.4 Die beliebtesten Kategorien auf TikTok beinhalten Music-Performance, Comedy, Challenges, Lifestyle und Tutorials.
Die Short-Cut-App bietet Usern die Möglichkeit, einen Account zu erstellen und Videos mit einer Länge von 15 Sekunden bis 10 Minuten hochzuladen. Die übliche Videolänge liegt zwischen 15 Sekunden und einer Minute. Das Konzept des Kurzformats ist darauf angelegt, bereits in den ersten Sekunden die Aufmerksamkeit der User zu gewinnen. Videos auf TikTok können, ähnlich wie in anderen Social Media, geliket, kommentiert, geteilt und gespeichert werden. Zudem können User einem Profil folgen, wenn dieses sie inhaltlich anspricht.

In Deutschland nutzen über 19,2 Millionen User TikTok, wobei 33 Prozent die Altersklasse von 14 bis 25 Jahren ausmachen.

Auf TikTok zielt der Content vor allem auf Viralität ab: Inhalte sollen sich so rasch wie möglich auf der Plattform verbreiten. Wesentliche Faktoren sind Authentizität, Kreativität, die Berücksichtigung von Trends und Interaktionen, um ansprechende Inhalte zu kreieren.5 Videos, die diese Schlüsselelemente berücksichtigen, haben ab 100000 Views eine hohe Chance, viral zu gehen.6
Verlinkungen und Hashtags sind notwendig, um möglichst zahlreiche Klicks zu generieren. Die aktuell meistgenutzten Hashtags erscheinen als #tiktok #trending #viral und #fyp. Das Schlagwort #fyp steht für „foryoupage“, die persönliche Startseite, die als kontinuierlicher Videostream agiert. Der KI-gestützte Algorithmus bietet eine personalisierte Auswahl an Inhalten, die sich durch Nutzerinteraktionen (Watchtime, Likes, Kommentare, Shares, Follows) erschließt und den Feed konstant nach den Präferenzen des Users ausrichtet.7 Mittels Videoeditor können Content Creator in wenigen Schritten ihre Videos durch visuelle Effekte und eine breite Auswahl von Sounds gestalten.

Probleme von TikTok

Neben den kreativen und unterhaltenden Inhalten birgt die Plattform auch problematische Aspekte, die potenziell negative Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden nach sich ziehen können. Zu den gravierenden Risiken gehören die Verbreitung von Fake News, die Förderung von Cybermobbing und unzureichender Datenschutz. Ein weiterer häufig unterschätzter Aspekt ist das Phänomen des sogenannten Rabbithole-Effekts, der Nutzer in ein Abhängigkeitsverhalten führen kann.
Diese Problematik verdeutlicht, wie entscheidend es ist, junge User umfassend über den Umgang mit Social Media aufzuklären. TikTok setzt ein Mindestalter von 13 Jahren voraus und bietet einen begleitenden Modus für Erziehungsberechtigte an. Durch Beaufsichtigung der Eltern können Einschränkungen von Inhalten, Bildschirmzeit oder Interaktionen durch Filter vorgenommen werden, um User zu schützen.
Angesichts der möglichen Nachteile stellt sich die Frage, inwieweit die Plattform auf pädagogisch verantwortungsvolle Weise genutzt werden kann. Gleichzeitig ergibt sich die Überlegung, ob die musikalischen Inhalte in Form von Kurzvideos genügend Potenzial bieten, um einen Mehrwert für einen innovativen Musikunterricht zu bilden.

1 vgl. Spiekermann, Reinhild: „Jugendliche im Instrumentalunterricht“, in: Busch, Barbara (Hg.): Grundwissen Instrumentalpädagogik. Ein Wegweiser für Studium und Beruf, 2. Auflage, Wiesbaden 2021, S. 168 f. Spiekermann bezieht sich u. a. auf Switlick, Bettina/Bullerjahn Claudia: „Ursachen und Konsequenzen des Abbruchs von Instrumentalunterricht. Eine quantitative und qualitative Umfrage bei Studierenden der Universität Hildesheim“, in: Knolle, Niels (Hg.): Musikpädagogik vor neuen Forschungsaufgaben, Essen 1999, S. 167-195 sowie auf Nykrin, Rudolf: „Das Jugendalter. Eine sensible Altersphase im Lernfeld Musikschule“, in: üben & musi­zieren, 1/2004, S. 6-13.
2 https://de.statista.com/themen/5975/tiktok/ #topicOverview (Stand: 29.4.2025).
3 https://solobusinesstribe.de/tiktok-nutzer/ #0-die-wichtigsten-tiktok-statistiken (Stand: 29.4.2025).
4 https://www.tiktok-werbung.com/was-ist-tiktok (Stand: 29.4.2025).
5 https://cmxcreator.de/tipps-tiktok-viral/ (Stand: 17.11.24).
6 www.highsocial.com/de/resources/how-many-views-is-viral-on-tiktok-going-viral-today (Stand: 29.4.2025).
7 https://newsroom.tiktok.com/en-us/how-tiktok-recommends-videos-for-you (Stand: 29.4.2025).

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2025.

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