Reflect!

Was ist qualitativ guter Unterricht? Wie zeigt sich „Lehrprofessionalität im Spannungsfeld von Mensch und Musik“ (Barbara Busch, 2018) und wie können Kriterien zur Entwicklung einer Professionalität im Bereich der künstlerischen Lehre gefunden werden? Ein außergewöhnlicher und genialer Zugang zu Fragen nach Qualitätskriterien des Unterrichtens ist Silke Kruse-Weber, renommierte Autorin und inzwischen emeritierte Professorin für Instrumental- und Gesangspädagogik, und ihren Co-Autorinnen mit Reflect!, einem Arbeitsbuch mit zugehörigem Kartenset, gelungen. Das Buch bietet einen zugleich hoch-professionellen wie spielerischen Zugang zur Reflexion von Qualitätskriterien und ermöglicht eine stetige Weiterentwicklung der Lehrkompetenzen.
Reflect! basiert auf aktuellen Entwicklungen und Forschungsergebnissen aus Musikpädagogik, IGP, Psychologie und Kognitionswissenschaften und unterstützt mit seinen Leitideen das Prinzip des lebenslangen Lernens und mit seiner forschenden Grundhaltung der „Reflective Practitioners“ eine kontinuier­liche, professionelle Handlungs- und Entwicklungsfähigkeit in einem Berufsfeld, das zunehmend komplexer wird und von den Lehrenden größtmögliche Flexibilität fordert.
In dem dazugehörigen Kartenset werden vier grundlegende Kompetenzbereiche betrachtet: sozial-kommunikative, künstlerische, didaktisch-methodische Kompetenzen und Selbstkompetenzen – dargestellt in stilvollem Design (Ricarda Musil) und fantasievollen Illustrationen (Carolin Stieber). Zum Weiterdenken sind jedem Bereich einige leere Karten beigefügt, auf denen Kompetenzen ergänzt werden können.
Mit dem „Balance Wheel“, das die Autorinnen in Anlehnung an das Coaching-Tool „Wheel of Life“ (Susan Hallam und Helena Gaunt, 2012) entwickelt haben, lassen sich auf unterschiedliche Weisen individuelle Lehrprofile erstellen, die es den Lehrenden ermöglichen, ihre aktuellen Kompetenzen im Überblick zu betrachten und bei Bedarf einzelne Bereiche in den Fokus zu nehmen, um sich dort gezielt weiterzuentwickeln.
Besonders spannend wird das Tool, wenn es in der Lehrpraxis an Hochschulen eingesetzt wird und man mit einem „Vorher-Nachher-Modus“ vergleichend arbeitet. „Die Lehrprofile zu erstellen, hat enorm geholfen, um Konzepte zu verstärken und zu vertiefen. Unbedingt in der Praxis anwenden!“, lautet das Feedback Studierender. Die Selbst- und Fremdeinschätzung wird zu einem spielerischen Prozess im Team der lehrenden und hospitierenden SeminarteilnehmerInnen und zu einem sich spiralartig entwickelnden, immer weiter vertiefenden Bewusstsein von Lehr- und Lernprozessen.
Das Buch sollte weite Verbreitung finden und vielen Menschen ermöglichen, sich spielerisch professionell im komplexen Feld der Lehrtätigkeit lustvoll weiterzuentwickeln.
Mechthild Großmann