Lewis, Andrew C.

Rhythmus

Grundlagen – Fortschreitende Übungen – Praktischer Einsatz, mit CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Gustav Bosse, Kassel 2007
erschienen in: üben & musizieren 6/2007 , Seite 58

Der vorliegende Band versucht zunächst aus dem Blickwinkel eines Schlagzeugers rhythmische Probleme in den weiträumigen Kontext von Musik, Naturwissenschaft und allgemeine Lebenserfahrung zu stellen. Darüber hinaus werden zahlreiche Übungen beschrieben, die zur Verbesserung der rhythmischen Fähigkeiten (nicht nur von Schlagzeugern) beitragen können.
Im ersten Teil wird zum Metronom „geklopft“ mit dem Ziel des genauen „Überdeckens“ der Metronomschläge (mit Claves oder einem ähnlichen Instrument). Varianten entstehen z. B. durch eingeschobene Pausen oder teilweises Unhörbarmachen des Metronoms mit anschließendem Wiedereinschalten. Im weiteren Verlauf schlägt das Metronom in unterschiedlichen Abständen vor oder nach dem Spieler. Die dabei entstehenden Klänge können als kombinierte Rhythmen von Metronom und Spieler wahrgenommen werden oder als parallel verlaufende separate Pulsfolgen. Der Verfasser gibt auch Anregungen zu weiterführenden Improvisationen auf der Basis dieser Übungen. Interessant erscheint das Üben von realen Beispielen aus der Literatur mit gedanklicher Verschiebung der Taktstriche und mit Einstellung des Metronoms auf verschiedene Zeitpunkte jenseits der Hauptzählzeiten.
Die Übungen zur Polyrhythmik beginnen mit dem Auflösen von Taktschlägen in unterschiedliche Notenwerte. Dann werden die häufigsten Polyrhythmen analysiert (2:3, 3:4 usw. bis 9:4, 9:5). Das Lernprinzip ist dabei immer das gleiche: Aus dem gemeinsamen Vielfachen beider Werte wird die Zahl der jeweiligen „Zeitanteile“ für jede Note bestimmt. Dass man nach der Erarbeitung eines Polyrhythmus (z. B. 3:4) den umgekehrten (also 4:3) eigentlich schon mitgelernt hat, bleibt hier unerwähnt.
Neben dieser etwas unökonomischen Darstellungsweise zeigt das Buch gewisse Schwächen vor allem durch seine terminologische Unschärfe, die zu einem gewissen Teil der etwas nachlässig wirkenden Übersetzung geschuldet sein mag (keine klare Abgrenzung z. B. zwischen solchen Begriffen wie Takt, Rhythmus, Metrum, Beat, Puls u. Ä.). Als Schlagzeuger richtet der Verfasser immer den Blick auf die „punktuelle“ Seite des Rhythmus – es entsteht der Eindruck, dass Präzision hier durch quasi unendliche Auflösung in kleinste Unterteilungen von Notenwerten erzeugt wird. Der lebendige rhythmische Vortrag, der ja über diese mathematische Seite hinausreicht, wird mit Vokabeln wie Gefühl, Geschmack, Tradition, Geist, auch mit Artikulation oder Dynamik umschrieben.
Nirgendwo wird auf den Zusammenhang von Melodik, Harmonik und Rhythmus und nur andeutungsweise auf den zwischen Rhythmik und Formbildung eingegangen. Insofern enthält das Buch zwar durchaus interessante Übungsanleitungen, man hätte dem Material aber bei dem Anspruch, den der Titel suggeriert, eine konzentriertere Darstellung gewünscht.
Linde Großmann