Mahlert, Ulrich

Rühren in verschiedenen Töpfen

Berufswünsche von Studienanfängern im Bereich künstlerisch-pädagogische Ausbildung

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2017 , Seite 26

Für Absolventinnen und Absolventen künstlerisch-pädagogischer Musikstudiengänge gibt es kein festes Berufsbild. Studierende wissen dies und entwickeln eigene Ideale. Bereits zu Beginn der Ausbildung ist ein enorm vielfältiges Spektrum beruflicher Wunschträume vorhanden.

„Einführung in das musikpädagogische Studium und Berufsfeld“ lautet der Titel einer meiner regelmäßig stattfindenden Lehrveranstaltungen im Rahmen des Studiengangs Künstlerisch-pädagogische Ausbildung Musik an der Universität der Künste Berlin. Das Proseminar richtet sich an die jeweils zum Wintersemester neu aufgenommenen Bewerberinnen und Bewerber. Hauptsächlich sind es Studierende im Bachelorstudiengang. Dieser besteht aus den Studienprofilen Inst­rumentalpädagogik, Gesangspädagogik sowie Musik und Bewegung (Rhythmik/Elemen­tare Musikpädagogik, mit zusätzlichem inst­rumentalen oder vokalen Hauptfach).
Die meisten Teilnehmerinnen – der Anteil der Frauen überwiegt deutlich – beginnen im ersten Studiensemester, das heißt sie haben nach der Schulzeit keine Vorstudien absolviert, häufig aber ein freiwilliges soziales Jahr oder andere soziale Dienste geleistet. Etwa ein Drittel nimmt ein Zweitstudium im Stu­diengang Künstlerisch-pädagogische Ausbildung auf. Es sind Absolventen der Studiengänge Lehramt, Kirchenmusik oder künstlerische Ausbildung. In jedem Seminar formiert sich eine bunt gemischte Runde von etwa 15 bis 20 Studierenden mit vielfältigen Erfahrungen, Interessen und Perspektiven. Da ich möglichst von den vorhandenen Anliegen der Studierenden ausgehe und der Semesterplan daraus erwächst, ergibt sich in jedem Seminar eine eigene Dynamik mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Arbeitsweisen. Der Hauptzweck der Veranstaltung besteht darin, Studienanfängern Orientierung zu geben für ein berufsbezogen angelegtes Studium. Themenschwerpunkte sind: Reflexion der individuellen Wege zur Musik und Austausch über die oft sehr unterschied­lichen Lernwege – Überblick über das Berufsfeld und Beschäftigung mit den eigenen beruflichen Wunschträumen und Möglichkeiten – Entwicklung individueller, den Berufswünschen Rechnung tragender Perspektiven für die Ausbildung – didaktische Analyse von Musik und Unterrichtsübungen im Hinblick auf vielfältige Vermittlungsmöglichkeiten sowie Musik- und Selbstpräsentation.
Die musikalischen Lernbiografien zeigen viele individuelle und oft durchaus unterschied­liche Zugänge zur Musik und zum Musikstudium. Es gibt gerade verlaufende Wege mit durchgehendem Unterricht auf einem Instrument, meist bei meh­reren Lehrenden. Ebenso begegnen verschlun­gene Entwicklungen mit Brüchen und Umwegen, Abwendungen von bestimmten musikalischen Stilen und ihren Musikpraxen, Phasen informellen Lernens, meist in der Gruppe mit Freunden, Rückwendungen zu früher Praktiziertem in späteren Lernstadien – und viele andere Verläufe. Immer wieder überrascht und fasziniert mich die Vielgestaltigkeit der Musikbiografien, die die Studierenden – im Schnitt kaum älter als 20 Jahre – hinter sich haben.
Nicht minder beeindruckt die enorme Vielfalt, die die Studierenden als wünschens­werte oder mög­liche Berufsoptionen angeben. Fast alle zeigen sich bereits gut informiert über die nicht eben rosigen Berufsaussichten.
Feste Stellen an Musikschulen sind bekanntlich rar (besonders am Studienort Berlin, wo derzeit weniger als zehn Prozent der gesamten Unterrichtsleistungen von festangestellten Lehrkräften erbracht wird). Kaum jemand nennt als einziges Berufsziel Lehrkraft an Musikschulen. Ein beträchtlicher Teil der Studierenden hat in früheren Jahren Unterricht an Musikschulen erhalten. Rückblicke auf diese Zeit fallen unterschiedlich aus: Manche schwärmen von guten Lehrern und guten Lernbedingungen, anregender Ensemble­arbeit, interessanten Projekten; andere berichten von routiniertem Unterricht, gestressten und überlasteten Lehrkräften, mangelndem Teamgeist im Kollegium, deprimierenden Unterrichtsräumen. Eine hauptsächliche Tätigkeit als Musikschullehrerin erscheint vielen Studierenden nicht nur unrealistisch, sondern nicht einmal wünschenswert.
Was die meisten von ihnen reizt, ist die Vielfalt der möglichen Beschäftigungen, das „Rühren in verschiedenen Töpfen“, das Kombinieren diverser Aktivitäten in unterschied­lichen Bereichen. Mischtätigkeiten werden eindeutig bevorzugt. Gerade das Unübersichtliche des Berufsfelds lockt: Es animiert dazu, sich individuelle Wege vorzustellen und ein eigenes berufliches Profil zu kreieren. Immer wieder begegnen Wünsche nach Aufgaben mit aktueller und zukünftiger gesellschaftlicher Relevanz sowie Ideale ungewohnter Formate von Tätigkeiten. So formulierte ein Student als Ideal, er wolle „Lehrer im erweiterten Sinn“ sein, wozu für ihn eine Intergration künstlerischer, psychologischer, politischer und sozialpädagogischer Anliegen und Aufgaben gehört.
Viele Studierende sehen das spätere Berufsleben als eine Zeit fortwährender Weiterbildung: Dazu gehört ebenso die Herausforderung, die eigenen künstlerischen Leistungen und pädagogischen Fähigkeiten permanent weiterzuentwickeln, wie auch der Reiz, sich neue Tätigkeitsfelder zu erschließen.
Ich habe von den Berufsoptionen der Studierenden, die in den vergangenen Jahren in meinen musikpädagogischen Einführungs­seminaren teilgenommen haben, eine Sammlung erstellt. Die nachfolgenden, in den genannten Stichworten belassenen und nicht weiter kommentierten Auszüge zeigen das breite Spektrum der geäußerten Wünsche und Perspektiven. Sie sind geordnet nach primär künstlerischen, pädagogischen, wis­senschaft­lichen und publizistischen, organisatorischen und kulturpolitischen Tätigkeiten sowie sonstigen diversen Berufswünschen. Manche der Optionen gehen ineinander über bzw. sind Facetten der gleichen Primäraktivität, manche könnten mehreren Rubriken zugewiesen werden – je nach Perspektive verschieben sich die Schwerpunkte. Die Zusammenstellung enthält auch Stichworte, die keine eigentlichen Berufe, sondern eher favo­risierte Tätigkeitsbereiche sind. Auch solche Perspektiven gehören zum Stichwort Berufswünsche.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2017.