Bubeck, Regine
Schön übersichtlich
Lesehilfe mit farbigen Notenlinien für den Streicher-Anfangsunterricht
Meinen Geigen-AnfängerInnen gebe ich eine Lesehilfe an die Hand, die das häufig praktizierte Notieren von Fingersätzen und Saitennamen über den Noten überflüssig macht: Durch drei farbige Linien wird die Orientierung im Fünf-Linien-System zum Kinderspiel. Mit geringfügigen Veränderungen lässt sich die Lesehilfe auch für Bratsche und Cello anpassen. Ebenso dürfte der Schlüsselwechsel beim Umstieg von der Geige auf die Bratsche und umgekehrt kein Problem mehr darstellen.
Notenlesen im Anfangsunterricht bremst oft den Fortschritt auf dem Instrument, da selbst die einfachsten Lieder viele unbekannte Zeichen enthalten, die nicht hinreichend erklärt werden können. Auch fällt es Kindern oft sehr schwer, sich die Notenpositionen in den fünf Linien zu merken. Viel zu viele verwirrende Zeichen tummeln sich auf manchem Notenblatt:
Welche Zeichen schauen Lernende hier wohl an? Und was genau ist eigentlich „Notenlesen“? Welche Informationen sind in den Noten enthalten? Welche davon sollten AnfängerInnen kennen, und welche benötigen sie, um Lieder zu spielen?
Im Vergleich zu anderen Ländern sieht die Instrumentalausbildung in Deutschland keinen parallelen oder sogar dem Instrumentalunterricht vorangestellten Pflichtkurs in Musiktheorie vor. Daraus ergibt sich die schwierige Aufgabe, in der kurzen wöchentlichen Unterrichtszeit neben dem Erlernen des Instruments auch das Notenlesen zu vermitteln. Oft werden zur Hilfe Fingersätze und Saitennamen über die Noten geschrieben.
Ich habe viele Jahre für meine SchülerInnen im Anfangsunterricht eine eigene Tabulatur-Schreibweise eingesetzt. Zahlen und Farben sind jedem Kind verständlich, sodass die SchülerInnen beim Üben zu Hause von Anfang an selbstständig waren. Alles lief bestens bis zu dem Punkt, an dem sie die bequeme Zahlenschrift zu Gunsten der richtigen Notenschrift aufgeben sollten: Dies war ein oft sehr beschwerlicher Übergang. Inzwischen integriere ich das Notenlesen von der ersten Stunde an. Spielfähigkeit und Lesefähigkeit sollen sich parallel entwickeln. Die Noten werden zunächst als Spielanweisung gelesen und erhalten erst später ihre vollständige musiktheoretische Bedeutung.
Beginn mit einfachsten Zeichen
Ich beginne mit den einfachsten Zeichen und lasse alle überflüssigen Informationen weg. Jedes Zeichen sollte notwendig, vollständig erklärbar und ein Baustein auf dem Weg zur traditionellen Notenschrift sein.
Hohe und tiefe Töne
Als erstes geht es darum, die Tonhöhendarstellung zwischen oben und unten zu üben. Hell klingende Töne stehen oben, dunkel klingende Töne stehen unten. Pepe, Evita, Mathilde, Leni und Amelie gehen in die zweite Klasse und haben zusammen Geigenunterricht. In einer der ersten Unterrichtsstunden erfinden sie Quinten-Lieder mit zwei benachbarten leeren Saiten, die sie im Heft aufschreiben. Mit Papptellern als Noten legen sie kleine „Rätsel-Lieder“ auf den Boden und spielen sie „vom Blatt“.
Taktbezeichnung und Taktstriche
Die Gliederung in Takte lernen die Kinder am Bild der Zugabteile kennen. Die Zahl zu Beginn des Stücks gibt an, wie viele „Sitzplätze“ in jedem Abteil vorhanden sind. Mit Hilfe von Stühlen bauen wir einen Zug mit Abteilen, sodass die Kinder als „Schaffner“ das Zählen der „Sitzplätze“ üben können. Ab jetzt notieren wir auch die Noten in „Abteilen“, da die SchülerInnen Taktstriche und eine vereinfachte Taktbezeichnung kennengelernt haben:
Eine Linie, drei Notenpositionen
Sobald die Kinder gegriffene Töne spielen können, lernen sie auch, diese Töne zu lesen. Mit einer Linie und drei Positionen für den Notenkopf können wir Vom-Blatt-Spiel mit drei Tönen üben. Den drei Positionen der Note (unter der Linie, auf der Linie und über der Linie) werden die Fingersätze leere Saite, erster und zweiter Finger (0-1-2) zugeordnet. In derselben Stunde, in der die SchülerInnen lernen, den ersten Finger aufzusetzen, üben sie auch das Lesen und Unterscheiden der beiden Noten-Positionen für die leere Saite und den ersten Finger. Seil und Pappteller leisten hierfür wieder gute Dienste. Auch die Notenposition für den zweiten Finger können sich die Kinder in der nächsten Stunde sofort merken, sodass sie nun Drei-Ton-Lieder vom Blatt spielen können:
In diesem Drei-Ton-Stadium kann der Umgang mit der Notenschrift in ganzer Breite geübt werden:
– Komponieren,
– Vom-Blatt-Spielen,
– Hörspiele.
Die Notenschrift bremst nicht mehr den Fortschritt auf der Geige, sondern sie entwickelt sich im Gleichschritt. Was gespielt wird, kann auch gelesen werden und wird komplett verstanden. Kein Zeichen muss „weggedacht“ oder „überlesen“ werden.
Fünf Notenlinien mit drei farbigen Linien
Drei-Ton-Lieder, die mit einer einzigen Linie notiert sind, können auf jeder beliebigen Saite gespielt werden. Töne im 5-Linien-System hingegen beschreiben eine absolute Tonhöhe. Diese Unterrichtseinheit nenne ich die „Schlüssel-Stunde“ – nicht wegen des Notenschlüssels, der ja auch neu hinzukommt, sondern weil in dieser Stunde das richtige Notenlesen erschlossen wird. Ich bin immer wieder erstaunt, wie leicht die SchülerInnen den Schritt von der einen Linie zu den fünf Linien vollziehen. Sie benötigen tatsächlich keinen einzigen Fingersatz, um nun problemlos „richtige“ Noten als Spielanweisung lesen zu können.
Pepe, Evita, Mathilde, Leni und Amelie komponieren gemeinsam ein Drei-Ton-Lied mit Seil und Papptellern. Dieses Lied schreiben sie in ihre Hefte und übertragen die Töne „drunter-drauf-drüber“ in die fünf Linien. Bei jeder der drei farbigen Linien gilt der erlernte Fingersatz, und zwar bei blau für die D-Saite, bei rot für die A-Saite und bei gelb für die E-Saite:
Die Kinder finden sich jetzt mit Leichtigkeit in den fünf Notenlinien zurecht und können den Noten eine genaue Spielanweisung entnehmen. Sie sind damit genauso sicher und selbstständig beim Üben zu Hause, wie es meine früheren SchülerInnen mit den Zahlen der Tabulatur-Schrift gewesen sind.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2022.