Endres, Susanna / Horst Pohlmann

Schreib ein Lied für mich!

Medienpädagogische und -ethische Perspektiven auf Künstliche Intelligenz

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 5/2024 , Seite 16

KI-Systeme sind mehr als praktische Werkzeuge. Sie prägen unsere Wahrnehmung, unseren Zugang zur Welt und damit auch unser Selbstbild. Eine medienpädagogische Auseinandersetzung mit dem Phänomen ist daher notwendig, um in einer digital vernetzten Welt verantwortlich handeln und diese mitgestalten zu können. Der folgende Beitrag eröffnet ausgewählte medienethische und medienpädagogische Perspektiven auf das Themenfeld.

Spätestens seit der Veröffentlichung von ChatGPT ist das Thema „KI“ in aller Munde und wird kontrovers diskutiert. Die Perspektiven auf das Thema gehen dabei weit auseinander: Vom Heilsbringer über ein praktisches Werkzeug für den Alltag bis hin zu dystopischen Szenarien, in denen KI-Systeme die Menschheit unterjochen, reichen die mit dieser Technologie verbundenen Hoffnungen und Ängste.1 Kein Wunder, gehen mit ihnen doch massive Auswirkungen auf nahezu alle Lebensbereiche einher.
Eine derartige Transformation unserer Lebenswelt zeigt die Relevanz einer umfassenden ethischen Auseinandersetzung mit KI-Systemen auf – und dies sowohl mit Blick auf die gesellschaftliche Ebene, auf der beispielsweise über Regularien zu KI-Systemen entschieden werden muss, als auch auf Seiten der Unternehmen und Institutionen, die entsprechende Tools entwickeln und anwenden, sowie bezüglich der einzelnen Nutzenden selbst.2 Die Verantwortung, die es im Kontext von KI-Systemen zu übernehmen gilt, nimmt auf allen Ebenen zu. Zugleich treten KI-Systeme im Alltag häufig in den Hintergrund und sind eben aufgrund ihrer Allgegenwärtigkeit nicht immer als solche erkennbar.
Aus medienethischer Sicht ist es gerade diese Rolle als unsichtbare Vermittlungsinstanz, die KI-Systeme diskussionswürdig macht. Sie sind mehr als praktische Werkzeuge für Beruf und Alltag. Sie strukturieren Mensch-Welt-Verhältnisse und werden zugleich umgekehrt durch menschliches Handeln geformt. Unser Blick auf die Welt verändert sich durch den Einsatz von KI-Systemen unmerklich.3 Egal ob die Auswahl von Suchergebnissen im Netz, die Anordnung der Themen auf Social-Media-Kanälen oder Empfehlungen zur Musikauswahl, Freizeit oder Kochen: KI-Systeme erleichtern uns das Leben; zugleich beschränken sie durch die personalisierte Anpassung digitaler Realitäten auf Basis unserer (vermuteten) Interessen und Dispositionen unsere Entscheidungsfreiheit und damit auch unsere Autonomie – bis hin zu Diskriminierungseffekten.4 Zu hinterfragen bleibt, was dies für ein selbstbestimmtes Leben in digital vernetzten Welten bedeutet. Wie verändern sich unsere Einstellungen und Werte angesichts der von KI-Systemen gestalteten (Medien-)Realitäten? Welchen Einfluss nehmen sie auf unsere (ethischen) Urteilsentscheidungen und hierauf basierenden Handlungen?

1 vgl. z. B. Sy, Anne-Gaëlle: „Studie: ChatGPT kann die Produktivität um 74% steigern, was 51% der Jobs im Marketing abbauen kann“ (2023), in: www.sortlist.de/ datahub/reports/chatgpt (Stand: 1.5.2024).
2 vgl. Grimm, Petra/Müller, Michael/Trost, Kai Erik: Werte, Ängste, Hoffnungen. Das Erleben der Digitalisierung in der erzählten Alltagswelt, Baden-Baden 2021.
3 vgl. Endres, Susanna/Filipovic, Alexander: „Ethische Urteilsfindung im Kontext von KI-Systemen“ (2023), Projekt ­Digitales Deutschland, https://digid.jff.de/ki-expertisen/ethik-und-ki (Stand: 1.5.2024).
4 vgl. z. B. Stangl, Daniela: „Daten, Algorithmen und technische Diskriminierung“, in: Sozial Extra, Jg. 47 Heft 3, S. 165-168.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2024.