Dürr, Walther / Michael Kube / Uwe Schweikert / Stefanie Steiner (Hg.)

Schubert Liedlexikon

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2012
erschienen in: üben & musizieren 2/2013 , Seite 55

Wer kennt sie nicht, Schuberts Lieder? Doch wer kennt sie alle? Die genaue Zahl erfährt man auf der Rückseite: Es sind 634, doch sind hier Tücken der Systematik zu berücksichtigen; manche Gedichte hat Schubert mehrmals vertont – in der Nomenklatur des Lexikons wird dies als Bearbeitung ausgewiesen – und von manchen Liedern existieren zudem unterschiedliche Fassungen, z. B. allein fünf von dem bekannten Lied Die Forelle D 550.
Nach einem kurzen Vorwort beginnt der lexikalische Teil, der die Lieder in der (ungefähr chronologischen) Reihenfolge des Deutsch-Werkverzeichnisses anordnet. Jeder Beitrag folgt demselben Aufbau: Titel mit Tonartangabe, Status (z. B. „Fragment“ oder „1. Bearbeitung“), ein Incipit und der vollständige Textabdruck stellen das Lied vor, es folgen erläuternde und analytische Kommentare zum Text und zur Musik, bevor Kurzangaben zum Stimmumfang, zugänglichen Aus­gaben, zu Entstehung und Textvorlage sowie Sekundärliteratur den Eintrag abschließen.
Im Anhang finden sich Kurzbiografien der Dichterinnen und Dichter, die dann jeweils auch auf die Deutschnummern der Vertonungen zurückweisen. Hier befinden sich neben bekannten Autoren von Shakespeare bis Goethe und den zu Schuberts Freundeskreis gehörenden Dichtern wie Eduard von Bauernfeld und Johann Baptist Mayrhofer auch seit Langem gänzlich unbekannte Literaten wie Gottlieb Conrad Pfeffel oder Martin Joseph Prandstetter, die nicht nur auf Schuberts verzweigte Leselust, sondern auch auf die Buntheit der ihn umgebenden geistigen und biografischen Welt weisen. Personen- und Liedregister sowie ein Nachweis über die von den jeweiligen Autorinnen und Autoren abgehandelten Lieder lassen für die Nutzerfreundlichkeit keine Wünsche offen.
Insgesamt 36 Autorinnen und Autoren haben am Liedlexikon mitgewirkt, zumeist sind es aus der Schubertforschung bekannte Größen, bei denen man nur wenige Namen vermisst. Der Do­yen der Schubert-Liedforschung Walther Dürr sticht dabei nicht nur in der Quantität hervor, auch weitere Mitarbeiter der Schubert-Gesamtausgabe sind vertreten. Besonders freut es, an den mittlerweile verstorbenen Dietrich Berke erinnert zu werden.
Offenbar liegt es mehr an der Schreibfreude der jeweiligen Autoren denn an der Bedeutung der Lieder im Schubert-Kanon, dass die Beiträge zu Text und Musik von manchmal nur wenigen Zeilen (selbst zur bekannten Rückert-Vertonung Lachen und Weinen D 777) bis zu ganzseitigen Ausführungen (so etwa zu Schuberts ersten Versuchen Hagars Klage D 5 und Des Mädchens Klage D 6) reichen. Die großen Zyklen (Die schöne Müllerin, Winterreise und Schwanengesang) stellen zudem Zyk­lus und Einzellieder in getrennten Rubriken vor. Der Leser begibt sich so auf eine teils zufällige Entdeckungsreise – einen Eintrag suchend, bleibt man gern, interessiert und ob der Mannigfaltigkeit staunend an einem ganz anderen hängen.
Andreas Krause