Mall, Peter

Schule und Orchester

Aspekte des Zusammenspiels von schulischer und außerschulischer Musikvermittlung in kooperativer Projektarbeit

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Wißner, Augsburg 2016
erschienen in: üben & musizieren 4/2017 , Seite 49

Mit dem Begriff Musikvermittlung, bisweilen auch „Konzertpädagogik“, wird ein höchst vielfältiger Bereich musikalischer Angebote für Kinder und Jugendliche benannt. Es sind „außerschulische“ Initiativen, also solche jenseits der allgemeinbildenden Schulen und der Musikschulen – wenn auch für manche davon durchaus die Kooperation mit Schulen kennzeichnend ist. Nahezu jedes Orchester hat heutzutage ein „Education Department“, in dem entsprechende Konzepte erarbeitet und durchgeführt werden.
Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg hat 2010/11 ein Musikvermittlungsprojekt in Kooperation mit drei Schulen (eine Grundschule, eine Realschule, ein Gymnasium) kon­zipiert und realisiert. Acht unterschiedliche musikalische bzw. musikbezogene Darbietungsformen wurden angeboten. Die vorliegende Forschungsstudie (Dissertation, PH Freiburg) ist das Ergebnis der empirisch-wissenschaftlichen Begleitung dieses Projekts. Sie besteht ihrerseits aus zwei Teilstudien: In einer quantitativen Erhebung wurden stichprobenartig SchülerInnen mittels Fragebogen – im Vorfeld („Pre-Test“) und im Nachhinein („Post-Test“) – um ihre Einschätzungen bezüglich der Auswirkun­gen der Projekte auf sie persönlich gebeten. Die erhobenen Daten wurden in der Pre-Post-Aus­wertung interpretiert. Die zweite, qualitative Teilstudie erhob gut ein Jahr später die Einschätzungen beteiligter Lehrkräfte und MusikerInnen mit Hilfe von leitfadengestützten Interviews.
So beeindruckend die enorme Größenordnung, Komplexität und Vielschichtigkeit dieser Art der empirischen Forschung ist, so offensichtlich und verständlich ist der eher geringe Erkenntnisgewinn. So war es zum Beispiel wenig ergiebig, was die SchülerInnen zum Einfluss der Projekte auf ihr persönliches Selbstkonzept sowie zur musikalischen Lern- und Leistungsmotivation aussagen konnten. Ähnliches gilt für die Ergebnisse der Interviews mit den Lehrkräften und MusikerInnen. Die drei Thesen zur Musikvermittlung am Ende des Buchs wirken wie eine Zugabe, man hätte sie auch ohne den Hintergrund dieser Studie formulieren können.
Der Darstellung der empi­rischen Untersuchung vorangestellt sind, jeweils kurz und knapp, Informationen zur Entwicklung der Musikvermittlung in den vergangenen hundert Jahren, zu wissenschaftlichen Publikationen zum Thema sowie zu erkenntnistheoretischen Grundlagen, und zwar zum „Fähigkeitsselbstkonzept“, zur „musikalischen Lernmotivation“ und zur psychologischen Bedeutung von Kurzinterventionen (wie Konzertbesuche). Diese Ausführungen – wie auch diejenigen zum Zeichenbegriff, zur Systemtheorie von Luhmann, zur Dokumentarischen Methode und zu Individualkonzepten – werden vermutlich andere Lesergruppen ansprechen als diejenigen, die sich vor allem für die empirisch-wissenschaftliche Begleitung solcher Projekte interessieren.
Franz Niermann