Andersen, Joachim

Schwedische Polska-Lieder op. 50

nach Isidor Dannström für Flöte und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Zimmermann
erschienen in: üben & musizieren 6/2020 , Seite 61

Unter FlötistInnen ist der Schwede Joachim Andersen nicht nur durch seine knapp 200 Etüden wohlbekannt. Manche davon, wie Op. 15 Nr. 3, werden als kleine Solo-Konzertstücke bei Wettbewerben als Probestück verlangt. Andersen schrieb außerdem 54 Werke für Flöte und Klavier, von denen zwei in den 1890ern als Concours-Werke am Pariser Konservatorium dienten. Er war zudem Gründungsmitglied und beliebter Soloflötist der Berliner Philharmoniker.
Der Bariton Isidor Dannström, namhafter schwedischer Zeitgenosse Andersens, sang in den 1840er Jahren große Opernrollen und war dann ein wichtiger Lehrer und Komponist für Vokalmusik. Er schrieb einige Polska-Lieder, die Andersen melodisch sehr schätzte. Es sind Vokalwerke, die auf am Ende des 19. Jahrhunderts beliebten skandinavischen Volkstänzen basieren. Diese Polskas sind ein mal feierlicher, mal lebhafter Paartanz im Dreivierteltakt.
Für ihr geliebtes Instrument waren die Flötisten der Zeit daran interessiert, sich wertvolle Literatur zu erschließen. Unter den vielen Bearbeitungen von Vokalwerken sind z. B. die ebenso Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Übertragungen der Sechs Lieder für Flöte und Klavier nach Schubert-Liedern von Theobald Böhm sehr bekannt. In einer Liedbearbeitung ist es noch leichter möglich, so schön auf dem Instrument zu singen, wie man es von den Sängern kennt, und die Ausdruckskraft der menschlichen Stimme nachzuahmen.
Bei der vorliegenden Ausgabe haben wir es mit Liedern, fast schon Miniatur-Opernarien über Tanzrhythmen zu tun. Andersen entwickelt Dannströms Polska-Lieder raffiniert, insbesondere die einfachen homofonen Begleitungen, die er harmonisch und rhythmisch erweitert. Dabei schafft er es, den einzigartigen Charakter des Originals zu erhalten. Er zeigt sein Talent für das Ausschmücken einfacher Melodien, indem er häufig eine verzierte Gegenmelodie hinzufügt oder aber virtuose, kurze Kadenzen, die strukturelle Abwechslung schaffen. Einige der Bearbeitungen stützen sich nicht nur auf ein Lied, sondern auf zwei, die Andersen in ABA-Form verwendet. Er fügt Abschnitte hinzu, wiederholt, ordnet neu an.
Dieses vierte Heft der Andersen-Reihe, herausgegeben von der Flötistin, Musikwissenschaftlerin und Andersen-Spezialistin Kyle Dzapo, ist historisch und analytisch fundiert und wertvoll. Das Vorwort und der Revisionsbericht sind informativ, ausführlich und gut recherchiert. Einzig die Liedtexte fehlen. Das romantische Flöten-Repertoire ist bekanntermaßen klein im Verhältnis zu dem anderer Epochen. Nicht nur deshalb ist die Neuausgabe der Schwedischen Polska-Lieder von Joachim Andersen eine bezaubernd frische und ausdrucksvolle Bereicherung.
Barbara Rosnitschek