Sommerfeld, Jörg
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Dienstliche Kommunikation für InstrumentalpädagogInnen
Viele Instrumentallehrkräfte haben kaum Erfahrung mit formellen Kommunikationsformen und Hierarchien; sie spielen in ihrem Alltag mit jungen Schülerinnen und Schülern eine untergeordnete Rolle. Nicht wenige neigen sogar dazu, zwischen dienstlicher und privater Korrespondenz kaum einen stilistischen und formalen Unterschied zu machen. Wer seinen Interessen Gehör verschaffen will, sollte aber bestimmte Spielregeln einhalten.
Nehmen wir eine fiktive, aber realistische E-Mail an das Sekretariat einer Musikschule:
„Liebe …, meine nachgemeldete Schülerin heißt Sophie Schmidt. Ich würde gerne noch eine Gruppe aufmachen, ich habe Anmeldungen hier. Dazu müsste aber mein Vertrag geändert werden. Ich habe auch ein Plakat für ein Konzert gemacht und ins Fach gelegt, meine Schüler hängen es schon in der Stadt auf. Übrigens haben die beiden am letzten Wochenende beim JuMu gewonnen *g*! LG …“
Urheber des Textes ist offensichtlich eine engagierte und motivierte Lehrkraft. Dennoch verbergen sich in dieser E-Mail eine ganze Reihe von Schwierigkeiten, wie wir später sehen werden.
Unsichtbare Hierarchien
Von Instrumentallehrkräften häufig unbemerkt gilt in Verwaltungen und Schulen immer noch der Dienstweg. Dessen wichtigste Grundsätze1 sind die folgenden (mit Beispielen in Klammern):
– Eine Nachricht an eine übergeordnete Stelle (Pressestelle des Bürgermeisters) ist über alle dazwischen liegenden Hierarchieebenen zu leiten (Musikschulleitung, Kulturamtsleitung).
– Übergeordnete Stellen (die Pressestelle) können sich auch direkt an untergeordnete (Musikschullehrkraft) wenden, in diesem Fall müssen die übersprungenen Ebenen (Musikschulleitung) nachträglich von der untergeordneten Stelle informiert werden (Musikschullehrkraft).
– Der Austausch zwischen Einrichtungen in einer Kommune, die einander nicht hierarchisch unterstellt sind (Musikschule und Volkshochschule), läuft über den ersten gemeinsamen Vorgesetzten (Kulturdezernenten).
– Der Austausch zwischen getrennten Einrichtungen (Musikschule und Grundschule) findet zwischen den Einrichtungsleitungen statt, denn in der Regel vertreten nur sie ihre Einrichtung nach außen.
Die Regelungen sind nicht überall gleich, sodass man vor Ort recherchieren muss, wie der Dienstweg aussieht. Der Sinn ist, dass alle Beteiligten über einen Vorgang informiert sind, alle relevanten Informationen zusammengetragen werden und insbesondere Vorgesetzte intervenieren können, wenn zum Beispiel das Handeln von Mitarbeitern den Grundsätzen und Zielen einer Einrichtung widerspricht. Der Autor der eingangs dargestellten E-Mail könnte als Angestellter einer kommunalen Musikschule einen gravierenden Fehler gemacht haben: Öffentlichkeitsarbeit ist in Verwaltungen häufig nur wenigen Personen erlaubt. Ob das selbsterstellte Plakat allen Gestaltungsgrundsätzen genügt und ob es alle nötigen Logos enthält, hätte die Pressestelle der Stadt auf dem Dienstweg möglicherweise vorher prüfen müssen. Manchmal reagieren „übergeordnete Stellen“ sehr verärgert auf eine Missachtung ihrer Zuständigkeit, was der Lehrkraft und der Musikschule schaden kann.
Neben dem verbindlichen Dienstweg innerhalb einer Einrichtung gibt es aber auch noch einen informellen Dienstweg:2 Wenn eine Streicherklassenlehrerin der Musikschule zum Beispiel in einer Grundschule unterrichtet, so ist deren Schulleitung formal nicht ihre Dienstvorgesetzte (das wäre in der Regel die Musikschulleitung). Dennoch wird die Grundschulleitung erwarten, von wichtigen Dingen so in Kenntnis gesetzt zu werden, als wäre die Musikschullehrerin Mitarbeiterin der Grundschule. Wenn diese hier ungeschickt agiert, indem sie zum Beispiel ein Konzert zwar der Pressestelle der Stadt, aber nicht der Grundschulleitung mitteilt, wird sie in der weiteren Zusammenarbeit mit Schwierigkeiten rechnen müssen.
Eine ähnliche informelle Anwendung des Dienstwegs wird in der Regel auch von freien Mitarbeitern in Musikschulen erwartet. Denn auch wenn sie frei sind, also der Musikschulleiter formal nicht der Vorgesetzte ist, so muss er ebenso von wichtigen Vorgängen in seiner Einrichtung in Kenntnis gesetzt werden. Ein typischer Fall ist eine Beschwerde von Eltern über die Qualität des Instrumentalunterrichts direkt beim Instrumentallehrer. Eine professionelle Lehrkraft, egal ob fest angestellt oder Honorarkraft, wird darüber in jedem Fall auch die Musikschulleitung informieren. Diese kann so gegebenenfalls intervenieren und Problemlösungen anbieten, und sie ist vorbereitet, wenn die Eltern sich in derselben Angelegenheit auch im Musikschulbüro melden.
In Verwaltungen und Schulen gibt es nicht selten ein unausgesprochenes Hierarchiedenken. Wer in welche Vergütungsgruppe eingruppiert ist, wissen die Beschäftigten in der Regel. Ganz ähnlich wie bei Polizei und Militär haben Mitarbeiter so scheinbar Schulterstreifen, die ihren Rang anzeigen. Dabei gehört eine Musikschullehrkraft überraschenderweise oft zu den höheren Rängen, weswegen deren Äußerungen zum Beispiel gegenüber einem Schulsekretariat schnell als Befehle missverstanden werden können.
Berufliche E-Mails sind anders
E-Mails dürften die häufigste schriftliche Kommunikationsform im Musikschulalltag sein. In Sekretariaten laufen Dutzende Mails täglich auf, und das erste Kriterium nach dem Aussortieren von Werbung ist meist die Frage: Was kann sofort geklärt werden? Gut formulierte und vollständige E-Mails haben bei diesem Prüfstein die besten Chancen.
Betreff: Eine aussagekräftige Betreffzeile gehört zu jeder Mail. Der Schülername „Sophie Schmidt“ im Betreff sagt nichts. Aber bei „Meine Flötenschülerin Sophie Schmidt (12) möchte gerne ins Jugendblasorchester“ ist sofort klar, worum es geht. Viele Schreiber achten beim Formulieren der Betreffzeile nicht auf das Vorwissen des Adressaten. Wenn eine Mail von einer Instrumentallehrkraft an eine Grundschulleitung gesendet wird, sollte eine Betreffzeile zum Beispiel lauten „Musikschulunterricht von Leon Schmidt (Klasse 3a), Terminkollision mit Ganztagsangebot“.
Sachdarstellung: Nach einer geeigneten Anrede folgt eine kurze Sachdarstellung, nicht länger als etwa eine Bildschirmseite. Die Sachdarstellung sollte alle relevanten Informationen enthalten und den Sachverhalt vollständig darstellen. Das wichtigste Kriterium hierbei ist die Weiterleitungsfähigkeit. Fast jede E-Mail wird von mehreren Personen bearbeitet. Ein Beispiel: Ein Gitarrenlehrer möchte gerne in einer Grundschulkooperation seinen Stundenplan ändern und macht der Musikschule einen Vorschlag, verknüpft mit der Frage, ob ein Raum verfügbar ist. Wenn die Mail alle betroffenen Schülernamen und Termine vollständig auflistet, kann sie sofort an die Grundschule zur Klärung weitergeleitet werden. Weiterleitungsfähigkeit bedeutet auch, dass in den Mails auf interne Scherze, unverständliche Abkürzungen und Fachjargon verzichtet wird. Persönliche oder interne Bemerkungen, die nicht weitergeleitet werden sollen, können wenn nötig in einer zweiten Mail gesendet werden. Außerdem sollte jede E-Mail sich nur mit einem einzelnen Thema befassen, sonst müssen bei jeder Weiterleitung die für den neuen Adressaten relevanten Informationen mühsam hervorgehoben werden. Werden mehrere Themen in einer Mail verbunden, kommt auch eine Antwort manchmal spät, nämlich erst dann, wenn alle Fragen geklärt sind.
Konflikte: Wenn es zum Beispiel im Unterricht zu einem Konflikt mit Schülern gekommen ist, kann die Beschreibung per E-Mail heikel sein. Denn damit wird ein Vorgang sofort aktenkundig. Kommt es zu einer offiziellen Beschwerde der Eltern eines Kindes, das von einer Lehrkraft vielleicht verhaltensbedingt vom Unterricht ausgeschlossen wurde, gehört jede Lehrer-Mail dazu nun auch in die Akte mit der weiteren Korrespondenz. Daher muss hier jede Mail mit großer Sorgfalt formuliert werden. Wertende oder gar herabsetzende Formulierungen sind zu vermeiden, eine möglichst sachliche und vollständige Beschreibung der pädagogischen Situation sollte angestrebt werden. Gerade bei größeren Konflikten (auch mit Kollegen) neigen manche Lehrkräfte dazu, abends nach dem Unterricht eine hochemotionale Mail zu verfassen, die dann nicht mehr aus der Welt zu schaffen ist. Eine kurze Nachricht, aus der nur hervorgeht, dass und wo es ein Problem gegeben hat, und dann ein Telefonat am folgenden Tag mit der Musikschulleitung ist fast immer die bessere Lösung.
Anhang: Stundenpläne, längere Texte, Noten etc. gehören in den Mail-Anhang; wenn sie noch weiterbearbeitet werden sollen als Word-Datei, ansonsten besser als PDF oder Bild-Datei.
Call for Action: Der wichtigste Punkt jeder Mail, den viele vergessen, ist der Lösungsvorschlag. Im Marketing heißt es auch „Call for Action“: Was soll aus Sicht des Absenders nun genau geschehen? Im Grunde ist ein solcher Lösungsvorschlag ja meist ein Arbeitsauftrag, weswegen er vermutlich aus Höflichkeitsgründen oft weggelassen wird. Wenn der letzte Absatz einer Mail aber lautet: „Ich habe mir den Verstärker angeschaut, eine Reparatur ist nicht mehr sinnvoll. Könntest du bitte einen neuen bestellen? Ich füge dir dazu unten einen Internetlink auf ein Ersatzgerät an“, kann der Adressat sofort aktiv werden und der Vorgang ist wenige Minuten nach dem Lesen der Mail bereits abgeschlossen.
Signatur: Jede Mail sollte immer mit einer vollständigen und aussagekräftigen Signatur abschließen. Alle Telefonnummern, Mail-Adressen, Name des Absenders und am besten auch die Funktion („Gitarrenlehrer der Musikschule“) sind im Hinblick auf eine mögliche Weiterleitung der Mail an andere wichtig.
Wenn wir nun noch einmal die fiktive Mail vom Anfang lesen, dann wird klarer, wo die Probleme liegen. Die E-Mail enthält mehrere Themen zugleich, die vermutlich von unterschiedlichen Personen geklärt werden müssen. Durch die Verwendung von Netzjargon wie *g* („grins“) ist sie nicht jedem verständlich und es fehlen zahlreiche Informationen zum Konzert, zur geplanten Gruppe und zur Einordnung der neuen Schülerin. Vor allem bleibt unklar, was nun mit den vielen Themen geschehen soll: Es gibt keinen „Call for Action“.
Formelle Kommunikation öffnet Türen
Die Spielregeln formeller Kommunikation einzuhalten, mag mühselig und bürokratisch erscheinen. In der Außenwirkung jedoch öffnen gut aufgebaute und richtig adressierte E-Mails Türen und vermeiden Missverständnisse. Sie sind leichter zu bearbeiten und zu beantworten, weswegen die Interessen der Lehrkraft viel wahrscheinlicher beachtet werden. Auch die Einhaltung eines tatsächlichen oder informellen Dienstwegs erleichtert es insbesondere Vorgesetzten und Schulleitungen, auf Anfragen einzugehen. Der zusätzliche Aufwand zu Beginn wird also auf lange Sicht sicher Zeit und Nerven sparen.
E-Mail-Verteiler
Es gibt drei Felder, in die man jeweils mehrere Adressaten einer E-Mail eintragen kann.
An: Hier sollte immer nur ein Name eingetragen werden. Bei mehreren Personen müssen diese sich zunächst untereinander abstimmen, wer sich um die E-Mail kümmert. Das verzögert die Antwort.
CC „Carbon Copy“ (Durchschlag): Wer muss oder sollte vom Mail-Inhalt in Kenntnis gesetzt werden? Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, was die Anzahl der Personen betrifft und ob bestimmte Vorgesetzte dazugehören oder nicht. Manche Lehrkräfte setzen gerne alle denkbaren Personen ein. Wenn auf diese Weise Schulleitung, Sekretariat, Hausmeister, Kollegen und Fachbereichsleitung per Verteiler erfahren, dass ein Klavier gestimmt werden muss, ist die Gefahr groß, dass durch zahlreiche Antworten und Weiterleitungen der einfache Vorgang, einen Klavierstimmer zu beauftragen, plötzlich zu einem unüberschaubaren Wust aus Mail-Korrespondenz wird.
BCC „Blind Carbon Copy“ (Blindkopie): Die anderen Adressaten sehen nicht, wer über dieses Feld eine Kopie der E-Mail erhält. Das ist nicht im Sinne einer offenen Kommunikation. Manchmal ist deshalb die dienstliche Nutzung dieses Feldes (um zum Beispiel einen Vorgesetzten heimlich an einer Mail-Korrespondenz teilhaben zu lassen) sogar ausdrücklich verboten. Aber es gibt eine wichtige Ausnahme, nämlich Werbe-Mails oder Newsletter. Wer einen Konzerthinweis an alle seine Schüler senden will, muss die Mail-Adressen der Eltern in das Feld BCC eintragen. Denn nur damit ist gewährleistet, dass kein Adressat die anderen Mail-Adressen sehen kann (Datenschutz).
1 vgl. auch Burkhardt Krems: Verwaltungsmanagementlehre, www.olev.de/d/dienstweg.pdf (Stand: 9.10.2015).
2 nicht zu verwechseln mit dem sogenannten „kleinen Dienstweg“, also dem bewussten Umgehen von Hierarchien. Auch das ist gängige Praxis, aber nur dann zu empfehlen, wenn man eine Verwaltung schon lange kennt und einschätzen kann, ob die Abkürzung zu Problemen führen könnte.