Losert, Martin

Signifikante Unterschiede

Eine Umfrage unter HochschulabsolventInnen zur Vermittlung von Kernkompetenzen im Studium

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2012 , Seite 12

“Welche Kompetenzen halten Sie im Beruf für essenziell und wie sieht diesbezüglich die Ausbildung an den Musikhochschulen aus?” – “Als wie hilfreich haben sich die im Studium ­vermittelten Kompetenzen im Berufsalltag erwiesen?” Wir haben unter AbsolventInnen einiger ausgewählter deutscher und österreichischer Musikhoch­schulen und Universitäten nachgefragt.

Unsere Umfrage ist nicht repräsentativ, zeigt aber als Stimmungsbild interessante Tendenzen bezüglich der Erfahrungen beim Übergang vom Studium in den Berufsalltag, der Kompetenzen im Bereich Selbstmanagement und Gruppenunterricht sowie der derzeitig vorhandenen Studienangebote. Die Antworten spiegeln sehr subjektive Erfahrungen wider, die nicht nur vom jewei­ligen Studienort, sondern maßgeblich auch vom jewei­ligen individuellen Berufsprofil abhängen.

Übergang in den Beruf

Die erste Frage bezog sich auf den Übergang vom Stu­dium in den Beruf, der von vielen als Praxisschock erlebt wird. Prinzipiell wären hier zwei Sichtweisen bzw. Strategien denkbar:
1. Um für die kommenden Aufgaben gewappnet zu sein, sollten möglichst viele Facetten des Berufsalltags bereits im Studium eine Rolle spielen. Dafür bräuchten die Hochschulen mehr Lehrende, die die Musikschulwirklichkeit kennen.
2. Da die Rahmenbedingungen sich ohnehin ständig ändern, sollte das Studium weniger auf den Berufsalltag als auf die Vermittlung von Kernkompetenzen zielen, welche die AbsolventInnen in die Lage versetzen, auf ­jede neue Situation kreativ und souverän reagieren zu können.
Fast die Hälfte der Befragten gaben an, beide Gesichtspunkte seien in der Ausbildung unverzichtbar: „Es gibt einen Kanon an inhalt­lichen bzw. methodischen Kernkompetenzen eines Instrumentallehrers, der sich wandelnden Bedingungen im Musikschulalltag nicht prin­zipiell unterworfen ist. Dieses Rüstzeug muss zunächst in der Lehre vermittelt werden. Darüber hinaus ist es aber unbedingt wünschenswert, durch Lehrende aus der Musikschulwirklichkeit zu erfahren, welche aktuellen Herausforderungen im Berufsalltag zu bewältigen sind und wie ich mithilfe meiner erworbenen Kernkompetenzen im sich wandelnden Alltag bestehen kann.“
Selbst jene, die eine stärkere Konzentration auf wichtige Kernkompetenzen oder einen stärkeren Praxisbezug wünschten, teilten grundsätzlich diese Haltung: „Ich halte die Konzentration auf Kernkompetenzen für sinnvoller, denke aber, dass diese möglichst praxisnah gestaltet und gelehrt werden sollten.“ „Der Praxisbezug von Lehrenden ist unbedingt notwendig und in der Ausbildung sehr hilfreich. Allerdings darf es nicht zu einem ,Verzetteln‘ in Alltäglichkeiten kommen. Daher ist eine Konzentration auf wichtige Kernkompetenzen als Richtschnur zu begrüßen.“ Wie in den Antworten zur fünften Frage noch deutlich werden wird, besteht allerdings kaum eine Übereinkunft darüber, was als Kernkompetenz anzusehen ist.

Selbstmanagement

Die zweite Frage zielte auf Kompetenzen im Bereich Selbstmanagement, die für Musikschullehrkräfte und freischaffende InstrumentalpädagogInnen gleichermaßen essenziell sind. Wie kompetent fühlen sich die AbsolventInnen auf dem Gebiet der Organisa­tion und des Selbstmanagements? Gab es im Verlauf des Studiums dazu entsprechende Lehrveranstaltungen oder sonstige Angebote? Wenn ja: Waren sie hilfreich? Wenn nein: Hätten sie sich derartiges gewünscht?
An vielen Hochschulen existieren offensichtlich inzwischen entsprechende Lehrangebote. So schreibt eine Absolventin: „Ich fühle mich kompetent. Ich hatte in Berlin einige Veranstaltungen hierzu, die hilfreich waren.“ AbsolventInnen, an deren Hochschulen keine entsprechenden Seminare angeboten wurden, formulierten deutliche Kritik: „Nein, gab es nicht. Und genau diese Kompetenzen mussten dann mühevoll – neben der Bewältigung des Arbeitsalltags – selbst erarbeitet werden. Und der Arbeitsalltag zeigt nach und nach, welche Baustellen noch existieren und zu bearbeiten sind…“
Durchaus überraschend ist, dass die meisten zwar den generellen Nutzen entsprechender Lehrveranstaltungen betonen, einige jedoch die „Lehrbarkeit“ entsprechender Fähigkeiten bezweifeln. So schreibt eine Absolventin: „Ich bin sehr gut organisiert, das habe ich aber nicht in meinem Studium, sondern bereits zuvor gelernt.“ ­Eine andere konstatiert: „Das lernt man nicht in einer Lehrveranstaltung.“

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2012.