Schumacher, Rebekka
Sing, sing, sing
Jazz im Elementaren Musizieren mit Erwachsenen
Ein Jazzstandard, der glücklich macht: „Sing, sing, sing“ von Louis Prima begeistert seit den 1930er Jahren das Publikum, wurde vielfach aufgenommen, neu arrangiert und hat auch Einzug in moderne Schul-Liederbücher1 gefunden. „Sing, sing, sing“ lädt die Zuhörenden zum Tanzen und Mitsingen ein und kann im Unterricht der Elementaren Musizierpraxis vielfältig eingesetzt werden.
„Musikalische Vorkenntnisse sind nicht nötig, nur eine kleine Portion Neugier“:2 In meinem Kurs „Elementares Musizieren mit Erwachsenen“ an der Musikschule Nürnberg arbeiten wir nach den didaktischen Prinzipien der Elementaren Musikpädagogik.3 Die Teilnehmenden bringen unterschiedliche Vorkenntnisse mit und kommen, um gemeinsam Musik zu machen, aber auch, um immer wieder etwas Neues zu lernen und sich selbst herauszufordern. Im Vordergrund steht die Freude an der Musik, am Zusammenklang und am gemeinsamen Erleben.
Mit Sing, sing, sing möchte ich den Teilnehmenden einen kleinen Einblick in den Jazz4 und seine Stilistik geben. Über mehrere Unterrichtseinheiten hinweg beschäftigen wir uns mit dem Song und setzen dabei unterschiedliche Schwerpunkte: Wir erarbeiten, singen und spielen einzelne musikalische Elemente aus Sing, sing, sing und hören verschiedene Aufnahmen, um dann gemeinsam ein eigenes Arrangement zu erstellen.
Jazz zeichnet sich durch ständige Interaktion der Beteiligten aus. Für mich ist das einfühlsame Reagieren auf die Vorkenntnisse und Interessen, Fragen und Vorschläge der Teilnehmenden essenziell. Die folgenden Ideen für den Unterricht mit Erwachsenen können auch als Impulse für das Elementare Musizieren mit Kindern etwa ab dem Grundschulalter oder für Bandproben dienen.
Der Song
Sing, sing, sing ist heute nicht nur in Jazzkreisen bekannt. Der 1936 von Louis Prima komponierte Song wurde in einer Aufnahme von der Band um Klarinettist Benny Goodman und Drummer Gene Krupa berühmt: Während eines Konzerts trommelte Krupa am Ende des Stücks weiter, sodass die Musiker ebenso spontan wie kreativ reagieren mussten. Die Bläser begannen, Motive aus Christopher Columbus, einem weiteren Song aus dem Programm der Band, zum Schlagzeug zu spielen und gaben dem Stück so eine neue Komponente.5
Viele Aspekte von Sing, sing, sing können in der Elementaren Musizierpraxis kreativ eingesetzt werden und als Inspiration für gemeinsames Singen und Musizieren, Improvisieren und Arrangieren dienen. So besteht das Thema aus einem jeweils achttaktigen A- und B-Teil, mit leicht singbaren Melodien und synkopischem Rhythmus. Das Schlagzeug zieht sich wie ein roter Faden durch den Song. Sing, sing, sing bietet Anregung zum spontanen und selbstständigen Arrangieren, zum solistischen Spiel und überzeugt mit rhythmisch und melodisch prägnanten Motiven der Bläser-Section, die sich zum Teil mehrstimmig überlagern.
Swing in Vierteln und Achteln
Sing, sing, sing stammt aus der Swing-Ära: Die Bands spielten Musik, zu der man tanzen konnte. Im Swing werden einerseits im 4/4-Takt die Zählzeiten 2 und 4 besonders betont, andererseits werden die Achtel ternär unterteilt, also „geswungen“ gespielt. Beides kann (unabhängig von Sing, sing sing) immer wieder im Unterricht gehört und gespürt, thematisiert und geübt werden, sodass die Teilnehmenden diese rhythmischen Bausteine verinnerlichen. Dazu eignen sich bekannte Lieder wie I like the Flowers ebenso wie Hörbeispiele aus der Swing-Ära. Ich erstelle dafür Playlisten bei einem Streaming-Anbieter, damit die Teilnehmenden die Hörerfahrung auch außerhalb des Unterrichts wiederholen können.
Die betonte 2 und 4 werden zunächst in der Bewegung geübt. Um sie präzise zu spüren, hilft es, auch die 1 und 3 erklingen zu lassen: Beispielsweise gehen die TeilnehmerInnen auf 1 und 3 als stabile Basis (markiert von der Lehrkraft) durch den Raum und klatschen, schnipsen oder sprechen (z. B. „ts“ oder „tschack“) auf 2 und 4 – mit Musik oder ohne. Diese Klänge werden dann auf Instrumente des Schlagwerks übertragen: 1 und 3 auf der Bassdrum, 2 und 4 auf der Hi-Hat.
Wenn Swing-Achtel vorkommen, sprechen oder singen sie die Teilnehmenden meist intuitiv richtig nach. Als Vorbereitung fürs Instrumentalspiel lohnt es sich, den Unterschied zwischen geraden und ternär „geswungenen“ Achteln zu verdeutlichen. Häufig hören die Teilnehmenden den Unterschied, wenn sie nicht selbst spielen. Also spricht, singt oder spielt die Lehrkraft kurze Phrasen, welche die TeilnehmerInnen als gerade oder ternär identifizieren und dann imitieren. Der Weg von der Sprache zum Instrument hat sich hier als hilfreiche Vorgehensweise herausgestellt.
1 Sing, sing, sing ist beispielsweise zu finden in: Neumann, Friedrich/Sell, Stefan (Hg.): Schul-Liederbuch, Mainz 2011; Maierhofer, Lorenz/Kern, Walter (Hg.): Sing & Swing, Esslingen 2014.
2 www.nuernberg.de/internet/musikschule/elementarbereich.html (Stand 4.2.2022).
3 Einen Überblick über die Arbeitsweisen der EMP gibt das Kapitel „Zusammenfassung der zentralen Gedanken und Ergebnisse“ in: Dartsch, Michael: Mensch, Musik, Bildung. Grundlagen einer Didaktik der Musikalischen Früherziehung, Wiesbaden 2010, S. 319 ff.
4 Es würde den Umfang dieses Praxisbeitrags überschreiten, eine umfassende Einführung in den Jazz zu geben. Ich beschreibe daher nur kurz, worauf es mir für die Unterrichtsidee ankommt, und bitte die Leserinnen und Leser, an anderer Stelle nachzulesen, z. B. in: Berendt, Joachim-Ernst: Das Jazzbuch, Frankfurt am Main 2009.
5 Weitere interessante Anekdoten dazu gibt es in: Firestone, Ross: Sing, sing, sing. The Life & Times of Benny Goodman, New York 1993.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2023.