Kreidler, Dieter

Soloalbum

65 Vortragsstücke aus 6 Jahrhunderten für Gitarre, mit CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2012
erschienen in: üben & musizieren 2/2013 , Seite 63

Und noch ein Sammelband? Ist der Markt damit nicht reichlich versorgt? Mir liegen noch aus den 1980ern die langweiligen und uninspirierenden Bände mit Menuetten und Andantes in den Ohren; viele professionelle Gitarrenunterrichtende fühlten sich über dieses Potpourri-Niveau erhaben. Doch der Markt hat sich verändert. Die Flut von Neuerscheinungen im Unterrichtssektor ist riesig, viele schalten ab und suchen erst gar nicht mehr nach Einzelausgaben. Und schon werden sie wieder gebraucht – die Sammelbände. In den neueren (besseren) sind die Stücke nach Epochen geordnet und haben eine CD dabei.
Und da fällt in Dieter Kreidlers Soloalbum der erste Unterschied auf: Die Stücke sind progressiv geordnet und das fast schon so glatt und kleinstufig wie in einer guten Gitarrenschule. Einige der Stücke sind eher in den deutlich schwereren Original-Versionen bekannt. Also sehe ich mir die Arrangements genauer an und was ich sehe, ist nicht nur geschickt – sprich mit nur wenig musikalischem Verlust – erleichtert, es fallen auch noch methodisch gute Fingersätze, gute Texte und witzige Grafiken auf.
Vor allem in der ersten Hälfte des Hefts wird immer nur ein bestimmter Akzent hervorgehoben, der dann zum Unterrichtsinhalt werden kann. Beispiele: Die Nr. 2 ist mit gezielten Artikulationen versehen (ohne wird’s langweilig); Nr. 3 legt die Betonung auf hohes Tempo in genau drei Takten; Nr. 6 hat erstmals Atemzeichen (Agogik); in Nr. 7 sind ext­rem lange Crescendi und Decrescendi das Besondere; Nr. 8 ist ohne jede Eintragung, weil der permanent geforderte „gespreizte“ Akkordanschlag schwer genug ist. Kreidler hätte in jedes der Stücke Artikulationen, dynamische Eintragungen, Phrasierungszeichen und Fingersätze hineinpacken können, aber dann wäre die ganze Ausgabe kopflastig und penetrant didaktisch geworden.
Von der Heft-CD fühle ich mich gut unterhalten. Standardstücke, neue Kompositionen und Ohrwurm-Arrangements, jazzige Stü­cke, Flamencos, Orff (!), Bach – alles klingt wunderbar entspannt. Kompliment an die beiden Gitarristinnen Celia Preuschoff und Corinna Schäfer: schön gespielt. Schade, dass dem Tonmeister entgangen ist, dass die Nr. 57 fehlt und die Nr. 64 auf zwei Takes aufgeteilt ist.
Beim Spielen fallen zwei Dinge auf: In vielen der Arrangements ist immer eine kurze Stelle enthalten, die eine Spur mehr Können verlangt als die übrigen Takte. Das reizt selbst HobbyspielerInnen zur entspannten Bewältigung. Zweitens: Das Notenbild ist leider nicht in gewohnter Schott-Qualität, sondern eher einfache Sibelius-Grundeinstellung.
Der Klappentext hat jedenfalls recht: Dieses Soloalbum kann parallel zu Unterrichtswerken eingesetzt werden; der Hobbyspieler, der lange nicht mehr gespielt hat, genießt es wegen der guten Progression, die gute Mittelstufenspielerin hat mit einem Schlag viel Literatur, die man bei vielen Gelegenheiten zum Besten geben kann. Eine Bereicherung für den Markt.
Johannes Tappert