Naoumoff, Emile

Sonata

für Flöte und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Zimmermann, Mainz 2023
erschienen in: üben & musizieren 6/2024 , Seite 62

Welcher aktive Musiker, welche passionierte Hörerin kennt es nicht: Beim Musizieren oder aktiven Zuhören vollkommen im Klang sein, das Denken wird klangfließend, man „denkt Ton“, „ist“ Klang… Natürlich wechselt man zwischendurch in strukturales Denken, in Anwendung seines musikalischen Erfahrungsschatzes mit Funktionen, Formen, technischen Herausforderungen, justiert hier, nimmt dort nuanciert neu wahr – verlässt aber in den Glücksmomenten den Werkcharakter und wechselt zum rein „musikalischen Gedanken“. Welch schwergängiges Vehikel ist hier doch die Sprache, gemessen an den Möglichkeiten der Musik!
Emile Naoumoff führt in seiner Sonata für Flöte und Klavier diese Divergenz zwischen musikalischer und buchstabenbasierter Sprache mehr als deutlich vor Ohren: Das vorliegende Werk war als Pflichtstück für den Flötenwettbewerb Ferdinand W. Neess, bei dem die Verschmelzung von Jugendstil und Musik unserer Zeit den Impuls gibt, bei Emile Naoumoff, dem letzten Schüler von Nadia Boulanger, in Auftrag gegeben worden.
Mit der idealen Klangbildung beschäftigt man sich auf der Flöte täglich und in ständiger Herausforderung; tiefe Töne sind ins­trumentenspezifisch häufig eher matt oder wenig aussagekräftig, am Beginn der 2. Oktave steigt man unkorrigiert leicht in der Intonation, sinkt in Richtung 3. Oktave, die wiederum oft schrill und zu hoch erscheint. Beim täglichen Üben arbeitet man immer wieder am Ausgleich zwischen den Registern, an der Intonation, an einer vollen, farbigen Tiefe und weichen, dennoch strahlenden Pianissimo-Klängen, die man idealerweise natürlich auch in schnellen Tempi und sowohl im Legato- als auch Staccato-Spiel über größere Sprünge und Strecken mühelos abrufen kann.
Diese und zahllose weitere flötenspezifisch bedeutsame Aspekte fordern die InterpretInnen von Naoumoffs Sonata im klanglich äußerst spannenden Dialog mit versierten PianistInnen heraus: in schwebender Ruhe des nur scheinbar schlichten, von der Idee her imitatorisch dominierten Dialogs im ersten Satz, klanglich Weiten auslotend in der Kombination Bass (Klavier) – Diskant (Flöte) fast wiegend im zweiten Satz, mit ornamenthafter Melodik zunehmend virtuoser werdend bis zum vierten Satz in Terzführung Flöte-Klavier über weitlaufenden Akkordbrechungen im weitschweifigen Changieren am Rande der Tonalität – mit Klängen Jugendstil gleichsam „atmend“.
Brillant dann der fünfte Satz mit der Bezeichnung Toccata, in dem beide MusikerInnen neben ihrer hohen Musikalität in einem rasanten Vexierspiel noch einmal ihr technisches Können unter Beweis stellen dürfen: „I composed it for Danielle in memory of her beloved husband and for her flute competition in his name coating its inspiration in the French Impressionism’s atmospheric soundscapes where the narrative dialogue with the piano blossoms into a jubilantly tender completion.“ (Emile Naoumoff)
Christina Humenberger