Bach, Johann Christian
Sonata D‑Dur
für Violine und Basso continuo
Johann Christian Bachs Violinsonate D‑Dur galt lange Zeit als unecht. Erst Tobias Schwinger konnte 2006 nachweisen, dass das in der Sammlung Thulemeier aufbewahrte Werk ein Autograf von Johann Christian Bach ist, das er während seines Italien-Aufenthalts (1755–1762) komponierte. Die Sonate ist eine „Solo-Sonate“ für ein Melodieinstrument und Basso continuo. Sie besteht aus einem heiteren Allegretto, einem reich verzierten Andante und einem Menuetto, in dem auch der Bass eine wichtigere Rolle erhält und in dem der Tanzrhythmus prägnant hervortritt.
Diese Violinsonate stellt keine hohen Anforderungen im Lagenspiel. Aber sie verlangt eine sehr ausgefeilte Artikulation und eine flexible Bogentechnik. Verschiedenste Verzierungen müssen in die Melodie sinnvoll eingebaut werden. Im langsamen Satz und Menuett fordern die ausgeschriebenen Verzierungen nach einer überzeugenden Artikulation und Einbindung in den Charakter und Rhythmus. Die Sonate ist im empfindsamen Stil geschrieben. Von Motiv zu Motiv wechselt der Ausdruck, kommen andere Schattierungen des Klangs und der Melodie zu Gehör. Das schärft die Aufmerksamkeit der HörerInnen und verlangt nach einem sehr wachen Spiel, das schnell auf verschiedenste Ausdrucksnuancen reagiert.
Die Bassstimme kann einerseits durch ein Cembalo, andererseits durch ein Violoncello ausgeführt werden. Sie ist nicht mit Ziffern versehen. Dem Spieler bleibt also selbst überlassen, wie er sie ausführt.
Reinhard Goebel gibt diese Sonate als Urtextausgabe heraus. Dem Heft liegen eine Partitur, also Violin- und Bassstimme, eine Urtextstimme des Violinparts und eine sehr zurückhaltend vom Herausgeber bezeichnete Stimme und eine Bassstimme für das Violoncello bei. In seinen Auszeichnungen schlägt Goebel in der Hauptsache vor, welche Dynamik und ob Auf- der Abstrich gewählt werden soll. Im Andante wird eine ornamentierte und nicht ornamentierte Fassung abgedruckt.
Die Ausführenden erhalten so das Notenmaterial zur Hand, wie es im Autograf überliefert ist, Fehler sind verbessert, Verzierungen, auch schlecht lesbare, werden angegeben. Das ist vorbildlich gemacht. Das Druckbild wirkt gut lesbar und übersichtlich.
Das Einzige, was kritisiert werden kann, ist Goebels Vorwort. Es ist sehr wissenschaftlich geschrieben. Man muss es ziemlich genau lesen, um dahinter zu kommen, was gemeint ist. Da es schade wäre, wenn nur professionelle Alte-Musik-Spezialisten diese Noten verwenden würden, es vielmehr wünschenswert wäre, dass dieses Werk auch von MusikliebhaberInnen aufgeführt wird, würde man sich eine verständlichere und klarere Darstellung und mehr Hinweise erwarten, wie diese Sonate aufzuführen ist – insbesondere von einem so hervorragenden Geiger wie Reinhard Goebel.
Franzpeter Messmer