Rauch, Johann Georg

Sonata duodecima

für 2 Violinen, 2 Violen, Fagott und B. c., hg. von Konrad Ruhland

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Walhall, Magdeburg 2007
erschienen in: üben & musizieren 3/2008 , Seite 61

Nur ausgepichten Musikkennern wird der Name der Musikerfamilie Rauch geläufig sein, deren Mitglieder im späten 17. und 18. Jahrhundert als Organisten oder Kapellmeister am Straßburger Münster tätig waren. Selbst bei Recherchen über diese Familie wird man nicht leicht fündig: In der neuen Fassung der Enzyklopädie Musik in Geschichte und Gegenwart sucht man sie (im Gegensatz zur alten) vergeblich.
Johann Georg Rauch ist wohl das bekannteste Mitglied dieser Dynastie. Vor allem ist er als Verfasser von Kirchenmusik ausgewiesen: Drei Drucke mit Motetten oder Messen ließ er in den Jahren 1687, 1690 und 1692 in Augsburg bzw. Straßburg erscheinen. Eine folgende Sammlung von zwölf Sonaten für zwei Violinen, Fagott und Basso continuo, die Rauch 1697 unter dem Titel Cithara Orphei veröffentlichte, galt bisher als verschollen (so meldet es noch die neueste Edition des New Grove).
Wie die vorliegende Publikation zeigt, ist dies ein Irrtum, denn ein Exemplar des Drucks hat sich in der Zentralbibliothek Zürich erhalten. Der Musikhistoriker und -pädagoge Konrad Ruhland, der sich im Bereich der Erforschung, Aufführung und Edition süddeutscher Musik der Vergangenheit große Verdienste erworben hat, legt hier die Schlussnummer der Cithara Orphei im Neudruck vor.
Diese Sonata duodecima hat Johann Georg Rauch gezielt als Krönung der Sammlung komponiert. Die sparsamere Besetzung der vorangegangenen Nummern weitet sich hier zur alles überhöhenden Fünfstimmigkeit mit zwei Violinen, zwei Violen und Fagott, wobei die Fagott-Stimme weitgehend mit dem Basso continuo parallel geht und diesen nur leicht ausziert. Konrad Ruhlands Edition des Werks in Partitur und Stimmen verzichtet auf eine Generalbassaussetzung und überlässt die akkordische Ausführung des Continuoparts der Kunst der InterpretInnen.
Die Sonate zeigt ihren Komponisten als sicheren Beherrscher mehrstimmig-kontrapunktischer Satztechnik bei einem für die Entstehungszeit des Werks eher konservativen musikalischen Geschmack. Das ist in der Motivik zu spüren, die bis auf die alte instrumentale Canzone zurückweist, und in der Formanlage, die zwar eigenständig ausdifferenzierte Sätze besitzt, sich aber nicht am moderneren Schema der Sonata da chiesa orientiert.
Die Achse des Werks bilden zwei Adagio-Teile in geradem Takt, die aber durch ihre reiche innere Bewegung nicht den historisch späteren Charakter langsamer Sätze annehmen. Dazwischen steht ein Grave in drei Halben, das mit seinen ganztaktigen Bassnoten und Harmoniefolgen an alte Ostinatoformen und Tanzmodelle erinnert (ohne dass jedoch eine periodische Wiederkehr einträte). Beschlossen wird das Werk von einer im Bewegungsduktus den Adagio-Abschnitten angepassten Fuga, der noch eine verbreiternde Coda in Form dreier angehängter Adagio-Takte folgt.
Gerhard Dietel