Kapustin, Nikolai
Sonata No. 1
für Violoncello und Klavier op. 63
Nikolai Kapustins Kompositionen lassen sich in keine Schublade einordnen: Seine Werke verbinden klassische Musik und Jazzelemente zu einer ganz eigenen Tonsprache. So erhalten sie Schwung, pointierte Rhythmik und musikalischen Drive. Formal orientiert sich der 1937 in der Ukraine geborene Pianist und Komponist an klassischen Strukturen. Harmonisch, rhythmisch und melodisch zeugen die Stücke unverkennbar von Einflüssen des Jazz. Obwohl die Kompositionen ausnotiert sind, bekommt man beim Hören bisweilen das Gefühl, in einer Bar zu sitzen und Jazzimprovisationen zu lauschen.
In den Werken spiegelt sich Kapustins eigener beruflicher Werdegang wider, der von einer klassischen Instrumentalausbildung am Klavier ebenso wie der Tätigkeit als Jazzpianist geprägt ist. Im Alter von 14 Jahren zog er nach Moskau, um am dortigen Konservatorium Unterricht bei Awrelian Rubach und Alexander Goldenweiser zu nehmen. Auch seine ersten Kompositionsentwürfe stammen aus dieser Zeit. Nach seinem Studienabschluss war Nikolai Kapustin Mitglied verschiedener Bigbands, ehe er sich in den 1980er Jahren hauptsächlich dem Komponieren zuwandte. Durch einige CD-Produktionen und Aufführungen seiner Werke durch prominente Musiker konnte Kapustin in den jüngsten Jahren an Popularität gewinnen.
Bei den meisten seiner Kompositionen ist das Klavier beteiligt. So auch bei der 1991 entstandenen Sonata No. 1 op. 63; hier treffen Klavier und Violoncello als gleichberechtigte Partner aufeinander. Dabei zeigt sich der Komponist nicht nur mit dem eigenen Instrument, sondern auch mit den Möglichkeiten des Violoncellos wohl vertraut. Sowohl der Cello- als auch der Klavierpart sind technisch und rhythmisch sehr anspruchsvoll notiert. Der Cellopart reizt zudem den Tonumfang des Instruments voll aus und verlangt Fertigkeiten im Spiel von Doppelgriffen und Pizzicati.
Beide Instrumente kommen solistisch und im Duo zur Geltung. Das thematische Material wird in den Eingangsakkorden vom Violoncello vorgestellt. Es erinnert in seinem Gestus an Bachs Cello-Suiten. Auch in der Wahl der Satzbezeichnungen (II Sarabanda, III Scherzo und IV Introduzione e rondo) und im formalen Aufbau der Sonate sind traditionelle Bezüge zu erkennen. Ungewöhnlich ist dabei, dass alleine der erste Satz keine Bezeichnung trägt.
Über alle vier Sätze der Sonate hinweg wird das thematische Material sowohl harmonisch, rhythmisch als auch melodisch immer weiter variiert und erscheint so stets in neuem Licht und Charakter. Hier zeigt sich das Improvisationstalent des Komponisten. Durch die fortlaufende Entwicklung entsteht eine dramaturgische Steigerung bis hin zum furiosen Finale.
Es lohnt sich, Nikolai Kapustins Werke zu entdecken!
Anna Catharina Nimczik