Bréval, Jean Baptiste

Sonata

für Violoncello und Klavier (2. Violoncello) C-Dur op. 40/1

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2017
erschienen in: üben & musizieren 4/2017 , Seite 56

Eine glatte Untertreibung, diesem Werk „eine gewisse Beliebtheit unter Cellolehrern und Schülern“ zu konzedieren (wie im Vorwort zu lesen ist), handelt es sich doch – zumindest, so weit das Auge des Rezensenten reicht – um das Unterrichtsstück für junge CellistInnen schlechthin. Nun gut: Über die Beliebtheit der C-Dur-Sonate von Bréval im Kreis der SchülerInnen lässt sich gewiss streiten. Im Hinterkopf der Lehrpersonen indes hat das Stück einen festen Platz.
Doch von welchem Werk sprechen wir? Große Verbreitung fand über viele Jahrzehnte die Bearbeitung durch den Cellisten Joachim Stutschewsky. De facto handelt es sich hier jedoch um eine freie Adaption, denn Stutschewsky hat gravierend in den Notentext des Originals eingegriffen: Takte hinzugefügt, Passagen umgestellt, melodische Verläufe geändert und vor allem die Bahnen des Bréval’schen Basso continuo häufig zugunsten einer vollgriffig-romantisierenden Klavierbegleitung verlassen.
Grund genug also, sich wieder des Originals zu besinnen: Sein Verfasser, Jean Baptiste Bréval, zählte zu den bekanntesten Cellisten und wichtigsten Pädagogen im Paris der vor- und nachrevolutionären Jahre. Brévals 1804 erschienene Schule Traité du Violoncelle op. 42 fand weite Verbreitung. Daneben wurden insbesondere seine Werke „für Amateure“ sehr gelobt, denn in ihnen verbanden sich gefällige Melodik und überschaubare technische Anforderungen mit dem – aufklärerisch geprägten – Wunsch, teilzuhaben an der Welt der Sonaten und anderer Vortragsstücke von professionellem Zuschnitt.
Die C-Dur-Sonate eröffnet die Reihe der Six Sonates non difficiles pour le violoncelle op. 40, die 1795 erschien. Im Nachwort der vorliegenden Neuedition gibt Herausgeberin Beverley Ellis wichtige Interpretationshinweise – etwa zur Ausführung von Trillern oder Akkorden –, die sich auf Brévals Traité stützen. Ansonsten geht das Bemühen der Editorin dahin, das Original unverfälscht zur Geltung zu bringen. Fingersatzempfehlungen finden sich nur dort, wo der Bereich der ersten Lage verlassen wird. Vorschläge zur Dynamik oder ergänzte Bindebögen sind als Herausgeber-Zutaten kenntlich gemacht und zeugen von Kompetenz und Geschmack.
So weit, so gut? Diese verdienstvolle Ausgabe birgt nur ein, wenngleich allerdings gravierendes Problem: Die Klavierbegleitung erweist sich als veritabler Zwitter. Sie enthält über weite Strecken den Notentext des Stutschewsky-Klavierparts bei gleichzeitiger Orientierung an der Original-Bassführung. Dort, wo Stutschewsky vom Bréval-Bass abweicht (und das ist nicht selten der Fall), kreiert Beverley Ellis eine Art Stutschewsky’siertes Pseudo-Original. Akkorde werden umgeschichtet, passend gemacht zum Original-Bass. Warum dieser krampfhafte Spagat? Warum keine neue Continuo-Aussetzung von Grund auf? Ungeachtet dieses Wermutstropfens heißen wir die Neuausgabe dieses alten Bekannten dennoch herzlich willkommen.
Gerhard Anders