Senfter, Johanna

Sonate

für Violine und Klavier g-Moll op. 32, hg. von Wolfgang Birtel, Fingersätze und Striche von Friedemann Eichhorn, Erstausgabe

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2009
erschienen in: üben & musizieren 1/2010 , Seite 61

Johanna Senfter (1879-1961) zählt zu jenen Komponistinnen, denen es leider nicht vergönnt war zu erleben, dass komponierende Frauen wie selbstverständlich im Musikleben wahrgenommen werden. Sie muss mit ihrem substanziellen Werk eher zu den Wegbereiterinnen dieses Wandels in der Einstellung gerechnet werden, ohne selbst bislang von ihm profitiert zu haben. Deshalb ist die vorliegende Erstveröffentlichung ihrer Violinsonate op. 32 lebhaft zu begrüßen, die um 1917/18 entstand und am 18. März 1924 in Oppenheim uraufgeführt wurde.
Johanna Senfter wurde in Oppenheim geboren und ist dort auch verstorben. Sie hat – bis auf ihre Studienzeit – Oppenheim auch nicht wirklich verlassen, sondern das Musikleben der Stadt geprägt, ja, mehr noch: geradezu repräsentiert. Zunächst nahm sie 1895 eine Ausbildung als Geigerin am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt am Main bei Lehrern wie Adolf Rebner oder Iwan Knorr auf. Und obwohl sie diese Ausbildung mit Auszeichnung 1903 abschloss, begann sie noch 1908 ein Kompositionsstudium in Leipzig bei Max Reger. Sie gewann sogar die Freundschaft Regers, der bis zu seinem Tod 1916 ihr kompositorischer Mentor blieb und an dessen Musik sie selbst in ihren Werken unmittelbar anschloss.
Ihr Œuvre, das noch nicht ganz zu überschauen ist (ihren Nachlass bewahrt die Bibliothek der Kölner Musikhochschule auf), umfasst mehr als 134 Werke, darunter neun Symphonien und 26 weitere Orchesterwerke. Lediglich die Gattung der Oper fehlt in ihrem Werkkatalog.
Die tonal gefestigte Violinsonate op. 32 ist unverkennbar von der Satztechnik Regers geprägt. Doch formal geht sie durchaus eigene Wege. Der Kopfsatz ist mehrteilig als ein sehr langsamer, ausdrucksvoller Satz angelegt. Es folgen zwei scherzohafte Sätze mit reichen fugierten Partien oder imitatorischen Stimmführungen. Der Finalsatz gibt sich hingegen gemächlich. Es fehlt also erstaunlicherweise ein Satz in der Sonatenhauptsatzform. Das alles ist eine geradezu sympathisch wirkende Musik, der man gerne einmal im Konzertsaal begegnen möchte.
Während der Violinpart, den Friedemann Eichhorn mit Fingersätzen und Phrasierungen versehen hat, keine kniffligen Probleme bietet und von geübten Geigern gut bewältigt werden kann, fordert der Klavierpart die Pianisten heraus. Im Finalsatz hat etwa die linke Hand in den ersten 66 Takten nur Oktaven zu spielen. Entsprechend heikel gestaltet sich die klangliche Balance zwischen Violine und Klavier.
Druck und sorgfältige Edition mit textkritischen Anmerkungen von Wolfgang Birtel auf der Grundlage aller erreichbaren Quellen besitzen den bekannt guten Schott-Standard. Allerdings sind ärgerlicherweise die Taktstriche im System des Klaviers nicht durchgezogen worden – das erschwert das Lesen der Musik beträchtlich.
Giselher Schubert