Gárdonyi, Zoltán
Sonatine (1959)
für Klarinette und Klavier
Im Vorwort scheint ein Hinweis nicht ungefährlich: „Die 1959 entstandene, zweisätzige Sonatine für Klarinette und Klavier Zoltán Gárdonyis eignet sich durch ihre leichte Ausführbarkeit auch für das Repertoire der angehenden Klarinettisten…“ Leicht bildet sich zwischen solchen Zeilen die Vorstellung von so genannter Unterrichtsliteratur, deren musikalischer Gehalt, den erzieherischen Anforderungen untergeordnet, entsprechend matt schimmert. Im MGG heißt es zu dem in Budapest geborenen Zoltán Gárdonyi (1906-1986): „Auf den einstigen Kompositionslehrer, den ebenfalls klassizistisch orientierten Kodály, verweisen dabei sowohl der große Anteil der Werke mit pädagogischer Zielsetzung und zugleich höchstem künstlerischen Anspruch als auch die handwerkliche Meisterschaft, die einen solchen kompositorischen Anspruch […] unter Beachtung der interpretatorischen Möglichkeiten verwirklicht.“
Die vorliegende Sonatine bestätigt diese Aussage. Zwar wird verlangt, auch ein d”’ auf der B-Klarinette noch gut zu intonieren und die chromatische Skala bis dort hin verinnerlicht zu haben, sodass „leichte Ausführbarkeit“ nicht mehr locken kann; doch gestattet dieses knapp achtminütige Werk, bei einem Schwierigkeitsgrad näher an drei als an zwei, auch ein Schülerpaar für „Jugend musiziert“ vorzubereiten.
Mangels Kenntnis des Gesamtwerks eines Komponisten ist man versucht, ihn zuzuordnen. Aufgrund von der alten ungarischen Bauernmusik zuzurechnenden modalen Strukturen, ungerader Phrasierung, Synkopierungen, harmonischer Verliebtheit in entfernte Terzverwandtschaften könnte man viele Väter dieser Sonatine vermuten, beginnend mit dem einzigen Kompositionslehrer Kodálys, Hans Kößler, dann Johann Sebastian Bach, Johannes Brahms und bezüglich der formalen Klarheit Paul Hindemith sowie dem aus der Volksmusik schöpfenden Zoltán Kodály.
Dagegen spricht jedoch in dieser Sonatine die Behandlungsart von Dissonanz und Harmonie: die oft unerwarteten Schlenker zu wohligen Basisklängen, im Erleben von abrupter Wirkung, die sich ohne das meist rasche Zurückbegeben in die vielfach linienbedingten Dissonanzphasen nicht entfalten könnte. Allein solches Vorgehen und der damit verbundene Eindruck weist auf den unverwechselbaren Personalstil Zoltán Gárdonyis.
Der erste Satz ist Moderato giusto überschrieben (Alla breve) und beginnt im Unisono mit den beiden Quartaufstellungen in Halben f-b-c’-f’, deren agile Verarbeitung in das zweite, als Fugato durchgeführte Thema aus kleineren Werten geleitet. Die Schlussfloskel bildet sich aus dem krebsgängigen Quartenthema. Langsam schwingend im 6/8-Takt mit durchdringend synkopiertem Metrum bewegt sich der zweite Satz, der mit einem auf- und absteigenden Moll-Sept-Akkord eröffnet und nach A-A’-Teilen in eine quasi tänzerische Stretta im schnellen 3/4-Takt (Achtel- wird Vierteltempo ) auf lydischem Thema mündet.
Die Klarinette darf sich nicht nur quer durch das Werk mit allen Stimmen anfreunden, u. a. mehrmals mit der tiefsten, sie ist auch von eindringlichen Legato-Linien bis heiteren Staccato-Spuckern und einem Schnelligkeit anreizenden Trillerband auf instrumenteneigenem c” prima ausgereizt. Der Klavierpart verlangt ebenso differenzierte Artikulation und lässt den Spieler bei bemessenen koordinatorischen Anforderungen über drei Viertel des Tastenfeldes kurven.
Guter Notendruck, passable Blätterstellen sowie ein eindrucksvolles Schwarzweiß-Porträt des Komponisten als Cover kennzeichnen das Heft. Ein hoher Motivationsgrad beim Erarbeiten dieses farbigen Stücks kann prophezeit werden. Seine Aufnahme in die Notensammmlungen der FachpädagogInnen und Musizierenden ist sehr zu empfehlen.
Maximilian Schnurrer