Lessing, Kolja
Spannende Miniaturen – leicht zu spielen
Krzysztof Meyers „Geigen-Krämchen“ für Violine und Klavier
„Schreiben für Kinder ist eine besondere Aufgabe. Die Stücke müssen einfach und leicht sein, gleichzeitig sollten sie so verfasst sein, dass sie Kinder neugierig machen und zum Lernen anregen.“1 Mit diesen Worten umreißt Krzysztof Meyer die Intention, die ihn bei der Komposition des „Geigen-Krämchens“, einer Sammlung von sieben faszinierend gegensätzlichen Miniaturen für Violine und Klavier, geleitet hat.
Seit über einem halben Jahrhundert zählt Krzysztof Meyer, geboren am 11. August 1943 in Krakau, zu den herausragenden Komponistenpersönlichkeiten Polens. Sein Œuvre umfasst alle Gattungen, zudem ist er als Autor unter anderem von zwei Büchern hervorgetreten, die längst als Standardwerke gelten können: über Dmitri Schostakowitsch2 ebenso wie über Witold Lutos΄lawski,3 letzteres in Zusammenarbeit mit seiner Frau Danuta Gwizdalanka.
Ein Schwerpunkt seines kompositorischen Schaffens liegt im Bereich der Streicher-Kammermusik – eine lebenslange Faszination, die durch die wesentlich von Streichern geprägten Hauskonzerte erweckt wurde, denen Krzysztof Meyer als Kind bei seiner Großmutter beiwohnen konnte.4 Auch inspirierten gerade die Streichquartette Béla Bartóks – auf dessen Vorbildrolle für sein eigenes Komponieren er immer wieder hingewiesen hat – seinen schöpferischen Beitrag zur Streicherkammermusik, in der sich die musikstilistische Entwicklung in Polen seit den 1960er Jahren eindrücklich widerspiegelt.
Musik für Stanislaw
Ende 1981 schrieb Krzysztof Meyer eine Reihe von leichten, kurzen Stücken für Violine und Klavier: Inspirator und Adressat war Meyers damals achtjähriger Sohn Stanislaw, der gemeinsam mit seinem Vater diese charaktervollen Miniaturen spielte. Der ebenso ungewöhnliche wie humoristische Titel Geigen-Krämchen verdankt sich nach Aussage des Komponisten5 der Tatsache, dass für die Veröffentlichung im Sikorski-Verlag aus dem umfangreichen Fundus an Stücken letztlich sieben gleichsam „ausgekramt“ wurden – ein Miniaturen-„Krämchen“, das in seiner Gesamtheit weniger als zwölf Minuten umspannt.
Jedes dieser „7 Kinderstücke für Violine und Klavier“ – so der Untertitel des Zyklus – ist mit einer metronomisch präzisierten Tempoangabe versehen, der jeweils am Ende in bester Bartók’scher Manier eine genaue Aufführungsdauer in Minuten und Sekunden entspricht. Bewusst hat Krzysztof Meyer auf programmatische Überschriften der höchst individuell und gegensätzlich gestalteten Miniaturen verzichtet, selbst Ausdrucksbezeichnungen finden sich nur zu Beginn von Nr. 2 (Violine: cantabile), Nr. 3 (Violine: deciso) und Nr. 7 (Violine: deciso).
1 vgl. Kolja Lessing im Gespräch mit Krzysztof Meyer, in: Booklet zur CD Krzysztof Meyer: works for violin and piano/two solo violin sonatas, EDA 49, Berlin 2023, S. 4.
2 Meyer, Krzysztof: Schostakowisch. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit, Bergisch Gladbach 1995.
3 Gwizdalanka, Danuta/Meyer, Krzysztof: Witold Lutosl΄awski. Wege zur Meisterschaft, Saarbrücken 2014.
4 vgl. Lessing/Meyer 2023, S. 2.
5 mündliche Information von Krzysztof Meyer am 9.8.2023.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2024.