Basler, Susanne / Sibylle Stein
Spaß an Lagenwechseln
Für Cellisten, 1. und 4. Lage
Beginnen wir mit einem Originalzitat: „Muss ich da einen Lagenwechsel machen? Kann man das nicht ,normal‘ spielen?“ Gewiss keine Einzelmeinung, sondern vielen CelloschülerInnen aus der Seele gesprochen. Warum werden gerade dann, wenn ich armer Schüler anfange, mich auf dem Cello zuhause zu fühlen, von bösen Lehrern derartige Schikanen eingebaut? Findet man nun als „böser Lehrer“ vielleicht noch des Schülers Gnade mit dem Hinweis auf Erweiterung des Tonraums („Man kann doch nicht ein Leben lang auf der A-Saite beim 4. Finger in der 1. Lage stehen bleiben“), so hört der Spaß endgültig auf, wenn es darum geht, bekannte Töne auf einmal in unbekannten Regionen spielen zu müssen. Wozu soll das gut sein?
Hier setzt die vorliegende Neuveröffentlichung an. Schon ihr Titel stellt klar: Lagenwechsel können, ja, sie sollten Spaß machen. Was für ein luxuriöses Instrument so ein Cello doch ist: Es ermöglicht dem Spieler, ein und dieselbe Tonverbindung auf zig verschiedene Arten auszuführen. Hierfür beim Schüler Neugier und Forschergeist zu wecken, ist eine der schwierigsten Aufgaben für StreicherpädagogInnen, und wenn das Werk gelingt, ist man im Hinblick auf den betreffenden Schüler fast schon aus dem Gröbsten raus.
Ist Susanne Basler und Sibylle Stein das Werk gelungen? Größtenteils ja. Mit Akribie und Fantasie werden alle Varianten des Lagenwechsel-Bereichs 1.-4. Lage behandelt, und zu Recht wird der Frage des Bogenstrichs viel Raum gegeben. Jede Kombination muss gesondert erlernt werden: Lagenwechsel im Abstrich, im Aufstrich, mit oder ohne Bindebogen. Dieses mit Sachverstand erstellte Werk (weitere Bände zur Behandlung der 2., 3. sowie 5.-7. Lage sollen folgen) enthält viel wertvolles Material, das jedem Cellopädagogen zur Ergänzung seiner Materialien empfohlen werden kann.
Zwei Einwände seien vermerkt: Dem Bedürfnis nach Präzision der Spielanweisungen ist manche Wirrnis des Notenbildes geschuldet. Zumal jüngere SchülerInnen dürften vom ersten optischen Eindruck mancher Stücke, insbesondere einiger Duette, erschlagen werden: Vorzeichen, Fingersätze, dazu Lagenwechsel-Richtungspfeile in beiden Stimmen… ein wahrer Schilderwald! Überdies zeigt manche Unterrichtserfahrung, dass beim Erlernen neuer Schritte ein Rekurs auf bekannte Melodien als „Haltegriffe“ unschätzbare Dienste leisten kann. Hierauf haben die Herausgeberinnen leider verzichtet: Alles ist neu komponiert, ohne Zweifel mit Witz und Geschmack, auf den Lernenden jedoch kommt eine geballte Stoffmenge zu. Ein Stück wie „Taktwechsel“ (Nr. 34b, E-Dur) dürfte für Schüler, die sich offiziell auf dem Level vor Erlernen der 2. und 3. Lage befinden, äußerst schwierig zu bewältigen sein.
Ein Positivum zum Schluss: Sehr instruktiv sind Stücke wie Nr. 32 und 33 (H-Dur/h-Moll). Ein und dieselbe Melodie soll auf dreierlei Art gespielt werden: in der Halben Lage, zwischen Halber und 1. Lage wechselnd und schließlich unter Einbeziehung der 4. Lage. Empfehlenswert!
Gerhard Anders