Stekel, Hanns Christian

Special Classes

Eine Kooperation von Musikschule und Universität für begabte junge BläserInnen in Wien

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2013 , Seite 18

Wie kann der Bläsernachwuchs ­opti­mal gefördert werden? Wie kann man den Einstieg in die Universität sinnvoll gestalten? Das Wiener Ko­operationsmodell “Special Classes” von Musikschule und Universität versucht, darauf eine Antwort zu geben.

Es war in den ersten Juni-Tagen des Jahres 2000. Eben war die Gründung der Johann Sebastian Bach Musikschule in Wien (JSBM)1 formal über die Bühne gegangen, da erhielt ich einen Anruf aus dem Leonard Bernstein Institut der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (MDW). Der damalige Leiter für Holz- und Blechbläser, Klaus Lien­bacher, schlug mir eine Kooperation vor „zur Förderung des Nachwuchses“ bei bestimmten „Problem-Instrumenten“2 wie Oboe, Fagott, Posaune oder Horn.
Zu diesem Zeitpunkt existierte die JSBM nur auf dem Papier, der Unterricht sollte erst im September 2000 beginnen. Der Anruf sorgte aber dafür, dass die Begabtenförderung in Form einer Kooperation zwischen Universität und Musikschule von Beginn an in der Konzeption und im Aufbau der JSBM mitgedacht wurde. Unter der Institutsleitung von Barbara Gisler entwickelte sich im Lauf der Jahre ein interessantes Konzept der Begabtenförderung, das sich als Ausbildungsangebot in Wien fest etabliert und in Fachkreisen durchaus einen Namen gemacht hat.
Heute, zwölf Jahre später, kann man eine überaus positive Bilanz ziehen: 65 junge BläserInnen sind in dieser Zeit durch das Projekt „Special Classes“ gegangen, davon haben mehr als 50 Prozent ihren Weg an einer österreichischen Universität oder im Ausland fortgesetzt. Hinzu kommen mehr als 60 erste Preise beim Jugendwettbewerb „Prima la Musica“, dazu zwölf beim Bundeswettbewerb und 26 Auszeichnungen bei internationalen Wettbewerben im Ausland.

Besondere Lehrkräfte für besondere Schüler

Herzstück des Projekts „Special Classes“ ist die Anbindung der Begabtenausbildung der Musikschule an die Universität. Dies geschieht durch Kooperation in den Bereichen Personal- und Schülermanagement sowie durch gemeinsame Projekte, Konzerte und die Betreuung von Wettbewerben.
Studienvorbereitung und Begabtenausbildung brauchen besonders geschulte und qualifizierte Lehrkräfte, die pädagogische Arbeit mit Hochbegabten und Hochmotivierten gewohnt sind und die in ständigem Kontakt zu den Entwicklungen an der Universität und im Konzert- und Orchesterbetrieb stehen. Dazu kommt noch in einem modernen Konzept von Begabtenförderung der Blick auf die ganzheitliche Entwicklung dieser jungen Menschen, sowohl im Hinblick auf ihre Musikalität als auch auf ihre Persönlichkeit. Diese LehrerInnen müssen also in besonderer Weise teamfähig sein, weil sie ständig mit den KollegInnen der einzelnen Fachbereiche in Musikschule und Universität zusammenarbeiten müssen, mit ihrem besonderen Know-how sind sie unabdingbare SpezialistInnen für diesen Bereich. Des Weiteren brauchen sie ein spezielles Umfeld in der Musikschule: Sie führen eine „Spezialklasse“ in der Musikschule, sind aber vollkommen integ­riert und haben die Rolle der Fachkraft im Team.3

1 Die Johann Sebastian Bach Musikschule Wien (JSBM) wird von der Diakonie Bildung erhalten. Sie ist mit 1600 SchülerInnen eine der größten Musikschulen in privater Trägerschaft in Wien. Die JSBM ist staatlich anerkannt und besitzt das Öffentlichkeitsrecht. Neben sechs Standorten an evangelischen Schulen widmet sie sich besonders der Begabtenförderung und betreibt eine eigene Pop-Akademie in Kooperation mit der Stadt Wien.
2 Zu diesem Zeitpunkt waren die Zahlen bei den ­Eingangsprüfungen bei diesen Instrumenten extrem rückläufig. Besonders für die Instrumente mit „Wiener Bauart“, Oboe und Horn, musste überhaupt ein neues Konzept für die Förderung des Nachwuchses gefunden werden.
3 Anfängliche Befürchtungen, dass es zu Problemen zwischen den Lehrkräften der Begabtenklassen und den „normalen“ MusikschullehrerInnen kommen werde, haben sich nicht bewahrheitet. Die Möglichkeit, „im Haus“ besonders Begabten aus den Musikschulklassen den Zugang zu einem Spezialisten und zur Musikuniversität bieten zu können, ist für alle ein sehr motivierender Faktor. Die Zusammenarbeit wird als Bereicherung, aber auch als Entlastung empfunden, weil die Trennung der Bereiche auch die Wahrnehmung des eigenen Arbeitsfeldes schärft und dieses aufwertet: „Ich muss mich als Musikschullehrerin nicht mehr über Wettbewerbe definieren, ich bin Spezialistin für nachhaltige Musikbegeis­terung“, so eine Lehrerin für Violine an der JSBM.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2013.