Kiemayer, Angela
Starke Stimme – starker Auftritt
Ein Leitfaden zum atemtypgerechten Sprechen und Singen
Wie lerne ich richtig singen oder sprechen? Wie kann ich meine Stimme verschleißarm stundenlang wohlklingend und raumgreifend einsetzen? Solche Fragen stellen sich nicht nur SängerInnen, sondern viele Menschen, die in „sprechenden“ Berufen tätig sind. Dass es für den schonenden Stimmgebrauch Atem- und Sprechtechniken gibt, die Sprecherzieherinnen, Gesangspädagoginnen, Schauspiellehrer oder Logopäden schon längst erfolgreich praktizieren, heißt nicht, dass alle Zugänge zur menschlichen Stimme schon komplett ausgeschöpft wären.
Die Sängerin, Pianistin, Komponistin, Stimm- und Sprechpädagogin Angela Kiemayer legt in ihrem Büchlein Starke Stimme – starker Auftritt zunächst eindrucksvoll und nachvollziehbar dar, warum gerade ihr Ansatz zur Stimme ein anderer ist – sie sensibilisiert die LeserInnen für den feinen Unterschied des einatembetonten oder des ausatembetonten Typs als grundsätzliche Charakterisierung mit weitreichenden Folgen.
Ihr Konzept fußt auf den Theorien der Terlusollogie, einem alternativmedizinischen Ansatz, der ursprünglich nach der Lehre zweier deutscher Ärzte bzw. des Violinisten Erich Wilk eine Typenlehre postuliert, die besagt, dass der Einfluss von Sonne bzw. Mond im Menschen unterschiedliche Zugänge zur Atmung mit unterschiedlicher Nutzung der verschiedenen Resonanzräume/Resonanzmöglichkeiten zur Folge hätten. Angemerkt sei, dass die wissenschaftlichen Untersuchungen zur Validierung der Terlusollogie offenbar noch fehlen.
Grundsätzlich ist eine sensible Beobachtung des gesamten Wesens im Lehrer-Schüler-Verhältnis insbesondere in Bezug auf Stimmprozesse natürlich enorm wichtig – wohl jeder Schüler wünscht sich ein individuelles Eingehen auf Stärken und Schwächen. Hier wird nun mit der oben kurz dargestellten Grundsatzunterscheidung vorgegangen. Dabei bringt Kiemayer gängige Übungen, die wohl jedem (Chor-) Sänger geläufig sein sollten, weist aber durch bildhafte Darstellungen und über QR-Code abrufbare Videos auf unterschiedliche Körperhaltungen und Atemtechniken hin, die physiologisch bessere Ergebnisse erzielen sollen.
Ausdrücklich richtet sich die Autorin dabei an „Menschen, die ihre Stimme täglich als Handwerkszeug verwenden“, und bietet „praktische Übungen […] die durch Video-Tutorials […] ergänzt werden“ an. Nun ist ja gerade die Stimme ein sensibles Instrument, das bei Problemen doch lieber nicht über Videos oder Bücher geschult werden sollte – eine Fachfrau sollte da doch immer die erste Wahl sein. Aber grundsätzlich kann man natürlich über diesen alternativen Atemansatz und seine konsequenterweise anderen Stimmbehandlungen nachdenken und ausprobieren, was einem stimmlich gut tut – gemeinsam mit einem versierten Stimmtrainer, der auch die Holzwege erkennen und Korrekturhilfen geben kann!
Christina Humenberger