Strauß, Marlo

Sternskizzen

für Gitarre solo

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Pan/Grenzland Edition, Basel/Kassel 2019
erschienen in: üben & musizieren 5/2020 , Seite 63

Marlo Strauß ist ein Mann der Praxis, das heißt, alles geht, klingt und ist vom Aufwand her vertretbar. Die vorliegenden zwölf Konzertstücke zeigen diesen Erfahrungshorizont deutlich. Jedes dieser kurzen Charakterstücke illustriert musikalisch ein Sternzeichen mit jeweils zugedachten Rhythmen, Klängen und Spieltechniken.
Der Steinbock stellt sich als ostinater Bass sehr selbstbewusst im Forte und Dreivierteltakt vor. Das Tempo ist nicht vorgeschrieben, die Bewegung wechselt zwischen Vierteln im ersten Teil und Achteln im zweiten Teil. Der Wassermann perlt in durchgehenden Sechzehnteln, in denen Sekundreibungen für Farbe und Atmosphäre sorgen. Die Fische fühlen sich bei Flageoletttönen und Triolen wohl und tauchen gelegentlich mit einer Melodie an der Oberfläche auf (erste Saite), um dann in unaufgeregten Triolenarpeggios wieder in dunklere Gefilde abzutauchen.
Der Widder verschafft sich zunächst mit dissonanten Akkorden im scharf punktierten Rhythmus und im Fortissimo Respekt. Sein Furor setzt sich in Flageolettrasgueados und rhythmisch immer dichter werdenden Tamboraakkorden fort, bevor eine vorübergehende Beruhigung eintritt. Der Stier kommt bei durchlaufenden Sechzehnteln und Taktwechseln überhaupt nicht zur Ruhe. Der Klang der kräftigen Basssaiten gemischt mit offenen Saiten ermöglicht diese „Klanggewalt“. Die Zwillinge sind völlig anders angelegt, nach vier vollklingenden Akkorden mit Fermaten schwingt sich eine Melodie empor, kommt zur Ruhe, geht walzerhaft weiter und verklingt schließlich sehr zart.
Der Krebs beginnt seinen Auftritt sehr zaghaft, bevor er sich allmählich in durchlaufenden Achteln in Bewegung setzt. Dissonanzen zeigen, dass man bei ihm vorsichtig bleiben sollte. Der Löwe lässt es ebenfalls gemächlich angehen, doch dann bleibt Allegro non troppo seine Gangart, die ihn klanglich bis in die X. Lage führt. Die Jungfrau hält zunächst einen Prolog (Quasi und cadenza), bevor sie einen Danza meditativo in einem engen Geflecht von Campanellaklängen aufführt, um sich schließlich im Pianissimo zu verabschieden.
Die Waage startet bei null, das heißt, die Note e ist auf drei verschiedenen Saiten zu hören; danach erst geschehen kleinste Änderungen und neue Patterns folgen im Sinne der Minimal Music. Der Skorpion erhält seine Stärke durch starke Intervalle wie die Quinte, die häufig in der Rockmusik als sogenannte Powerchords ganze Akkorde vertritt, und Quarten. Der Schütze möchte natürlich treffen, dazu braucht er ein gutes Auge und eine ruhige Hand. Diese Voraussetzungen sollte man auch für diesen Satz mitbringen: Das gute Auge erleichtert die erforderlichen Lagenwechsel und eine ruhige Hand ist für die Bindungen und schnellen Tonrepetitionen zuständig.
Die Ausgabe ist äußerst angenehm zu lesen und auf schönem Papier gedruckt. Die Stücke sind wirkungsvoll und abwechslungsreich, dabei anregend für Ausführende und Publikum.
Andreas Stevens-Geenen