Herbst, Wolfgang
Stille Nacht! Heilige Nacht!
Die Erfolgsgeschichte eines Weihnachtsliedes
„Stille Nacht! Heilige Nacht!“: Weihnachtliches zu unweihnachtlicher Zeit wirkt meist deplatziert. Dieses Risiko kann aber hier getrost eingegangen werden, denn das Weihnachtliche des schmalen Atlantis-Bändchens beschränkt sich allein auf den Gegenstand, über den reflektiert wird. Die Art und Weise der Darstellung, die Tendenz der Untersuchung hat an sich nichts Weihnachtliches. Der Untertitel verrät die Intention des Autors: „Die Erfolgsgeschichte eines Weihnachtsliedes“ soll präsentiert werden.
Der Kirchenmusiker Wolfgang Herbst findet inhaltlich und sprachlich eine mutige Balance zwischen trockener Musikwissenschaft und unterhaltsamer Plauderei. Sein Ausflug in die Sozialgeschichte – etwa im Kapitel „Der Kult um das häusliche Glück“ – illustriert fachkundig den Bedeutungswandel des Weihnachtsfestes im 19. Jahrhundert anhand der Traditionen im preußischen Herrscherhaus. Des Weiteren fragt Herbst nach der „Politik im Weihnachtslied?“, begibt sich in quellenkundliche Niederungen bei der „Suche nach der Urgestalt von Stille Nacht“ und recherchiert nach der korrekten Textfassung.
Die Rundum-Versorgung des Liedes wäre nicht vollständig ohne eine Schilderung des Wegs aus der salzburgischen Provinz unter die Tannenbäume der ganzen Welt. Mit dem notwendigen Ernst berichtet Herbst von dem großen Erfolg der Zillertaler Folkore-Gruppe in New York.
Pittoresk wirkt allerdings im üppig bunten Bildteil die Abbildung einer Postkarte der „Silent Night Memorial Chapel“ aus dem Jahr 1992 in Michigan/USA. Auch das Foto der „damaligen“ Oberndorfer Weihnachtskrippe mag die Grenze zum schlechten Geschmack streifen, würde sie nicht, rezeptionsgeschichtlich gesehen, ein gelungenes Gegenbild zum Lied abgeben. Eine Zeittafel und die Auflistung der „Stille-Nacht-Gedenkstätten, -Museen und -Ausstellungen“ runden die Untersuchung ab.
Man mag zu Weihnachten stehen wie man will, das Bändchen kann einen allemal aus der Jahresend-Geschenke-Not retten. Es kann allerdings auch, aufgrund der gebotenen wissenschaftlichen Methodenvielfalt, die Grundlage zu einem ausgesprochen guten Schulreferat oder zu einer spannenden Unterrichtsstunde bilden.
Katharina Hofmann