Kruse-Weber, Silke

Strategien zur Berufs­zufriedenheit

Orientierung im Dschungel der (Kern-)Kompetenzen

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2012 , Seite 06

Die Komplexität der beruflichen Anforderungen erfordert neben fachlichen Kompetenzen auch Schlüssel­kompetenzen. Aber: Werden sie in der Hochschul­ausbildung gelehrt und gelernt? Um diese Frage zu beantworten, werden in diesem Beitrag Lernprozesse in den Blick genommen. Des Weiteren werden theoretische Grundlagen sowie Perspektiven für die Umsetzung der Ansätze von Kernkompetenzen aufgezeichnet.

Der Begriff (Kern-)Kompetenz ist vor allem in der Betriebswirtschaftslehre, Berufsbildung und den Erziehungswissenschaften verortet. Wenn die Instrumental- und Gesangspädagogik ihn nutzbar machen möchte, bewegt sie sich in einem interdisziplinären Kontext, der essenziell für das Fach Musikpädagogik ist. Synergieeffekte zwischen verschiedenen Disziplinen können für das eigene Fach genutzt werden – beispielsweise indem ein Verständigungsprozess über Begriffe stattfindet. Deshalb vorab ein Gang durch den Dschungel der Begrifflichkeiten.

Begriffsbestimmung

Der Begriff Kernkompetenz wird nicht trennscharf abgegrenzt und wird deshalb nicht einheitlich verwendet. Ähnliche Bedeutungen haben unter anderem Schlüsselqualifikation, Schlüsselkompetenz oder Soft-Skill, Basiskompetenz, Alleinstellungsmerkmal, Stärke und Kernaufgabe.
In Bezug auf den Kompetenz-Begriff lehnt man sich seit den 1970er Jahren im erziehungswissenschaftlichen Diskurs meist an die Definition von Franz Weinert an.1 Er versteht Kompetenzen als „erlernbare kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“.2
Der Kompetenzbegriff ist also ein Konstrukt, das aus mehreren Teilbereichen besteht. Abbildung 1 (siehe Seite 8) veranschaulicht das dynamische Kompetenzdenken.3 Kompetenzen werden durch äußere Impulse (formell und informell) aktiviert und in Handlungs­situationen aktualisiert. Die Kompetenz einer Person wird letztlich von der Fähigkeit bestimmt, inwieweit sie mit Komplexität, Unvorhersagbarkeit und Veränderung umgehen kann.
Der Lernbegriff hat durch kompetenzorientiertes Denken eine Erweiterung erfahren. Lernen ist nicht nur auf deklaratives und prozedurales Wissen gerichtet, sondern inkludiert allgemeine Werthaltungen bzw. Einstellungen und Verhaltensweisen.

Theoretische Ansätze

Strategisches Management
Die Idee der Kernkompetenz wird im strategischen Management erstmals in den 1990er Jahren von Coimbatore K. Prahalad und Gary Hamel vorgestellt.4 Sie bestimmen Kernkompetenzen durch folgende Kriterien:5
Kernkompetenzen
– bieten potenziell Zugang zu einer Vielzahl von Märkten;
– liefern einen klaren Kundennutzen: Der Kunde ist auch bereit, für den Zusatznutzen einen höheren Preis zu bezahlen;
– sollten für Wettbewerber schwer zu imitieren sein;
– lassen sich in verschiedensten Produkten und Märkten einsetzen;
– müssen einen übergeordneten Charakter haben, damit sie transferierbar sind;
– werden besser, je intensiver sie verwendet werden.
Die Leitidee des Ansatzes ressourcenorientierter Kernkompetenzen6 besteht darin, dass der Erfolg eines Unternehmens sowie die Leistungsunterschiede zwischen mehreren Unternehmen einer Branche auf das Vorhandensein firmenspezifischer, einzigartiger Ressourcen zurückzuführen ist – Beispiel: die Partnerschaft eines Besitzers eines Gourmet-Restaurants mit einem Metzger, welche gemeinsam eine exklusive Wurstspezialität einzig und allein über das Restaurant vertreiben. Angesprochen sind in erster Linie „die Fertigkeiten, Fähigkeiten und Technologie eines Unternehmens, die als Grundlage der Schaffung von Kundenzufriedenheit sein strategisches Potenzial darstellen“.7 Die Bündelung spezifischer Fähigkeiten stellt die eigentliche Quelle von Wettbewerbsvorteilen dar, weil Kernkompetenzen weiterentwickelt werden können und Kooperationen den Zugriff auf die Kompetenzen der Netzwerkpartner ermöglichen.

Berufsbildung
„Die in der Hochschule erworbenen Fähigkeiten reichen natürlich keinesfalls aus, um ein gesamtes Arbeitsleben damit bestreiten zu können. So ist es aus meiner Sicht dringend geboten, dass auch wir Musikschulen in Sachen pädagogische Professionalisierung permanent Personalentwicklung betreiben.“
(Dieter Fahrner, Musikschulleiter)8

– Biografieorientiertes Lernen
Kompetenzentwicklung kann als Ansatz biografischer Weiterentwicklung gesehen werden. Nicht der Beruf, sondern der Lebenslauf und die Biografie der Lernenden sowie ihre Persönlichkeit werden zum zentralen Bezugspunkt beruflicher Weiterbildung.

1 vgl. Anne Niessen/Andreas Lehmann-Wermser/Jens Knigge/Andreas C. Lehmann: „Entwurf eines Kompetenzmodells ,Musik wahrnehmen und kontextualisieren‘“, in: Jürgen Vogt (Hg.): Zeitschrift für empirische Musikpädagogik. Bildungsstandards und Kompetenzmodelle für das Fach Musik?, Sonderausgabe 2, Hamburg 2008, S. 3-33; hier S. 9.
2 zitiert nach Niessen, ebd., S. 9.
3 Abbildung modifiziert nach Karlheinz A. Geißler/Frank Michael Orthey: „Kompetenz: Ein Begriff für das verwertbare Ungefähre“, in: Ekkehard Nuissl/Christiane Schiersmann/Horst Siebert (Hg.): Kompetenzentwicklung statt Bildungsziele? Report Nr. 49, Hannover 2002, S. 69-79; hier: S. 71.
4 Coimbatore K. Prahalad/Gary Hamel: „The Core ­Competence of the Corporation“, in: Harvard Business Review, Nr. 4, Boston 1990; http://hbr.org/1990/05/ the-core-competence-of-the-corporation/ar/1 (Stand: 25. April 2012).
5 vgl. Armin Anwander: Strategien erfolgreich verwirk­lichen: Wie aus Strategien echte Wettbewerbsvorteile werden, Berlin 22002; zit. nach www.4managers.de/
management/themen/kernkompetenzen (Stand: 25. April 2012).
6 Gernot Handlbauer/Hans H. Hinterhuber/Kurt Matzler: „Kernkompetenzen“, in: Das Wirtschaftsstudium, 8-9/1998, S. 911-916; zit. nach: Oliver Wohlgemuth/ Thomas Hess: Strategische Planung in Unternehmensnetzwerken, Arbeitspapiere der Abt. Wirtschaftsinformatik II, Universität Göttingen, Nr. 5, Göttingen 2000, S. 54-55; http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/lm/arbeitsberichte/2000/05.pdf (Stand: 25. April 2012).
7 ebd., S. 54.
8 Andreas Doerne: „Wir sind stolz auf unser Betriebs­klima. Dieter Fahrner, Leiter der Musikschule Weil am Rhein, erläutert im Gespräch, wie sich Musikschulunterricht verbessern lässt“, in: üben & musizieren 6/2010, S. 46.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2012.