Dvorák, Antonín
Suite A-Dur op. 98
für Klavier, Urtext, hg. von Iacopo Cividini
Eine höchst willkommene und rückhaltlos zu empfehlende Neuerscheinung ist die Kritische Urtextedition von Antonín Dvoráks Suite A-Dur op. 98 für Klavier, gelegentlich auch „Amerikanische Suite“ genannt. Es handelt sich um eines der Werke aus der amerikanischen Zeit des Komponisten, und als er die Suite seinem Verleger Simrock zusammen mit den Biblischen Liedern op. 99 zum Druck anbot, bezeichnete er beide Zyklen als „das Beste […], was ich bis jetzt auf diesem Gebiete geleistet habe“.
Dvoráks Klaviermusik führt heute, abgesehen von den vierhändigen Slawischen Tänzen, in Unterrichts-, Wettbewerbs- und Konzertliteratur nur ein Schattendasein. Hin und wieder begegnet man einer seiner Humoresken, seine größeren Werke wie die vorliegende Suite bilden dagegen absolute Raritäten.
Die fünfsätzige Suite mit einer Gesamtspielzeit von etwa 17 Minuten bietet sich als kürzerer Zyklus für Klavierabende an, die Sätze sind jedoch auch als Einzelstücke für Unterricht und Jugendwettbewerbe bestens geeignet. Für eine Gesamtdarstellung der Suite spricht die geschlossene formale Gesamtanlage: Der letzte Satz zitiert als abschließende Apotheose das Hauptthema des ersten Satzes.
Der Komponist selbst stufte die Suite als „mittelmäßig schwer“ ein, was aber nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass die Anforderungen an Sprung-, Oktav- und Trillertechnik bisweilen einiges an Können voraussetzen. Belohnt wird man durch pianistisch attraktive, melodisch ansprechende und einprägsame Charakterstücke, denen das amerikanische (vor allem in der Rhythmik) und tschechische Idiom (in Melodik und Harmonik) unüberhörbar zu eigen ist. Manches erinnert im Tonfall an die Slawischen Tänze.
Ein Grund dafür, dass dieser Zyklus sich bislang nicht im Repertoire behauptet hat, könnte die Tatsache sein, dass er trotz der pianistischen Anforderungen kaum Gelegenheit zu virtuosem Glanz bietet, was an der orchestralen Gesamtanlage liegt. Dvorák selbst hat von der Suite auch eine Orchesterfassung erstellt, die posthum aufgeführt und publiziert wurde und heute populärer als das Klavieroriginal ist.
Bärenreiters Urtextausgabe wertet auch einige bislang nicht berücksichtigte Nebenquellen wie die Skizzenbücher aus, sodass beispielsweise zu vier der fünf Sätze die authentischen Metronomangaben erstmals publiziert werden. Die Edition verzichtet auf Herausgeberfingersätze, der Notensatz ist auf gewohntem Bärenreiter-Niveau, das Vorwort in Deutsch, Tschechisch und Englisch, der sehr detaillierte Kritische Bericht (englisch) als Download verfügbar.
Die vorliegende Neuausgabe ist ein nachdrückliches Plädoyer für den Klavier-Komponisten Dvorák.
Christian Ubber