Longo, Alessandro

Suite D-Dur op. 65

für Oboe und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Accolade, Warngau 2016
erschienen in: üben & musizieren 2/2017 , Seite 59

Manche Namen in der Musikwelt sind uns als Namensgeber für Werkverzeichnisse berühmter Komponisten bekannt: Köchel für Wolfgang Amadeus Mozart und Johann Joseph Fux, Deutsch für Franz Schubert, Burghauser für Antonín Dvorˇák oder Ryom für Antonio Vivaldi. Und so stand lange Zeit der Name Longo für die kritisch revidierte, elfbändige Ausgabe des umfangreichen Klavierwerks mit über 500 Einzelstücken von Domenico Scarlatti. Dieses wurde ab 1953 nach und nach durch das Kirkpatrick-Verzeichnis abgelöst.
Kaum aber einer weiß, dass Longo als Professor für Klavier am Konservatorium in Neapel nicht nur ausgezeichnete Lehrwerke für Klavier verfasste und ferner eine Zeitschrift herausbrachte, sondern auch komponierte. In seinem relativ übersichtlichen Œuvre für Klavier- und Kammermusik sowie Suiten für Flöte, Klarinette und Fagott befindet sich auch jene Suite D-Dur op. 65 für Oboe und Klavier, die Longo im Alter von 49 Jahren 1915 in Mailand veröffentlichte.
Für wen er die dreisätzige Suite komponierte, die Bodo Koenigsbeck beim Verlag Accolade neu herausgegeben hat, darüber schweigt allerdings das knappe Vorwort. Dem nicht sehr hohen Schwierigkeitsgrad nach zu urteilen, könnte sowohl der Part für die Oboe, deren Tonumfang über das dreigestrichene d nicht hinausgeht, als auch der Klavierpart für einen Schüler geschrieben worden sein.
Longo habe, so das Vorwort, „erfolgreich die gründliche deutsche Inst­rumentalschreibweise mit der italienischen Vokaltradition“ verbunden. Beim Spielen fällt jedoch auf, dass die Musik Spuren eines musikalischen Jugendstils, einen Hauch von impressionistischen Zügen in sich trägt. Zeitweise sehr gefällig in der Melodik, vergleichbar einer Kaffeehausmusik, wirkt die Sui­te jedoch zusammen mit der Harmonik zum Teil spröde und wenig eingängig.
Der 6/4-Takt des Kopfsatzes soll bewegt, wohl im Zweier-Metrum, gespielt werden, um so in den Achteln eine Art Lauf- oder Drehbewegung zu erzeugen. Der langsame Mittelsatz in h-Moll – ein zweiteiliges Andante – wirkt trotz der Achtelbewegungen in der Oboe merkwürdig statisch, vielleicht, weil er die Themen und Motive zunächst nicht wie bei einer Sequenz harmonisch verarbeitet, sondern nur wiederholt. Erst im zweiten Teil findet sich über eine Art „Passus du­riusculus“ solch eine chromatische Sequenzierung. Das Thema des dreiteiligen Finalsatzes – ein Allegretto – ist kleinmotivisch, wechselt zwischen Triolen und Achteln, der zweite Teil wirkt wegen der Sechzehntel zügiger, die Thematik scheint aus dem ersten abgeleitet.
Nicht unbedingt ein wunder­bares Konzert, aber wegen des Zeitpunkts der Entstehung trotzdem ein bemerkenswertes.
Werner Bodendorff