Koeppen, Gabriel
Talking Strings
22 Solostücke in populärer Stilistik für Cello
Seine Werke sind eine feste Größe in der Szene: Hot Cello, Cello Basics, Nette Duette und weitere Titel zeugen von Gabriel Koeppens unerschöpflicher Erfindungsgabe und von der Fähigkeit des vielseitigen Musikers, dem Cello Musik auf den Leib zu schneidern, die Spaß macht und zugleich pädagogisch höchst effizient ist. Apropos Vielseitigkeit: Koeppen spielt neben Cello hervorragend Saxofon und ist kompositorisch auch mit „Erwachsenen-Musik“ hervorgetreten. Zweifellos aber liegt seine besondere Begabung auf dem Gebiet der kurzen, charakteristischen Cellostücke. Von besonderem Reiz ist Koeppens gekonntes Crossover. Ob Pop, Blues, Jazz, Folk oder Rock: Die unterschiedlichen Vokabularien fließen ihm mit großer Selbstverständlichkeit aus der Feder.
Die 22 Stücke der Sammlung Talking Strings entstanden vor etwa 20 Jahren und wurden seinerzeit in zwei Bänden der Edition Gabricello veröffentlicht. Die Neuausgabe bei Schott fasst alle Stücke in einem Band zusammen. Beibehalten wurde die ursprüngliche Reihenfolge und mit ihr die progressive Anordnung: Teil 1 (Stücke 1-12) bewegt sich im mittleren Schwierigkeitsgrad, die 4. Lage wird kaum je überschritten. Die meisten Stücke des (ursprünglichen) 2. Bandes (Stücke 13-22) sind technisch deutlich anspruchsvoller, Nr. 22 erfordert Griffsicherheit bis in hohe Daumenlagen.
Doch schon im erstenTeil macht der Komponist reichen und fantasievollen Gebrauch von Doppelgriffen und raffinierten Pizzicati. Night mood (Nr. 7) und Loneliness (Nr. 8) sind eindrückliche Studien zur Verwendung des Leere-Saiten-linke-Hand-Pizzicatos bei gleichzeitiger Arco-Melodie. Zahlreiche glissandierte Töne lassen Koeppens ausgeprägte Affinität zu nicht-klassischer Musik erkennen. Ein Kabinettstück ist Pizz-a, hier wird das Cello buchstäblich zur „etwas anderen Gitarre“ umfunktioniert.
Von Barock-Evokationen (Präludien in C-Dur und D-Dur) über quasi-romantische Charakterstücke reicht die stilistische Bandbreite bis zu Jazz, Funk und Hardrock. Hier sorgt die Einbeziehung moderner Spieltechniken (ghost notes, perkussive Elemente) für Spannung: Wir sind eingeladen zu kurzen, im besten Sinne verrückten Improvisationseinlagen (Stück Nr. 18: Let’s go) und schließlich – im spektakulären Schlussstück Tribute to Jimi Hendrix – zur Imitation einer verzerrten E-Gitarre. Wie diese Spezialeffekte zu erzielen sind, beschreibt Koeppen stets akribisch und präzise.
Kleiner Kritikpunkt: Hier und da agiert der Komponist arg populistisch. Stücke mit Titeln wie Northern city cowboy, Bullfiddle oder Wüstenritt zu versehen und dafür tief in die Klischeekiste der „Yippie yeah“- und pseudo-arabischen Versatzstücke zu greifen, erscheint ein wenig aus der Zeit gefallen. Der Frische und Inspiration der meisten Stücke tut dies jedoch keinen Abbruch. SchülerInnen des mittleren und fortgeschrittenen Levels seien Koeppens Talking Strings herzlich empfohlen.
Gerhard Anders