Hegel, Martin (Hg.)

Tárrega for Guitar

40 leichte Originalwerke und Bearbeitungen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2014
erschienen in: üben & musizieren 3/2015 , Seite 57

Tárrega for Guitar? Natürlich, für was denn sonst? Der spanische Gitarrist Francisco Tárrega (1852-1909) hat ausschließlich für sein Instrument komponiert und, um das Repertoire zu erweitern, auch Meisterwerke des Klavierrepertoires für die Gitarre bearbeitet. Aber unter „Bearbeitungen“ versteht Herausgeber Martin Hegel hier seine eigenen Arrangements von Werken Tárregas, sodass der Titel dieser Notenausgabe gleich mehrfach irritiert.
Auch die Zielgruppe ist nicht klar definiert. Im Titel steht „leicht“, im Vorwort schränkt Hegel dann ein auf „leicht bis mittelschwer“. Das trifft es schon eher. Leicht sind vor allem die fünf spiel- und satztechnisch vereinfachten und bei längeren Werken auch formal gekürzten Arrangements sowie die ersten Nummern im Heft, während die meisten der übrigen Stücke in die Mittelstufe gehören. Wer diese aber spielen kann, braucht Hegels Arrangements nicht, und wer nur die spielen kann, ist fast mit dem kompletten Rest dieser Sammlung überfordert. So sind die Bearbeitungen ein Heft im Heft, zumal zwei seiner Arrangements (Lágrima und Adelita) auch in der Originalfassung aufgenommen sind.
Tárrega hat die lyrischen und melodischen Qualitäten seines Instruments in den Vordergrund gerückt und durch ausgedehntes Lagenspiel den jeweils besten Klang eines Akkords oder eines einzelnen Tons gesucht. Und er war der erste, der Klavierwerke von Isaac Albéniz so für die Gitarre bearbeitete, dass man als Zuhörer den Eindruck hat, Originalwerke zu hören.
Trotz der Verdienste für sein Inst­rument sind die Lobeshymnen, die Hegel im Vorwort über ihn ergießt, übertrieben. Als Komponist war Tárrega mit Sicherheit nicht „eine der wichtigsten Persönlichkeiten in der Geschichte der Gitarre“, wie gerade diese Auswahl zeigt: Kurze lyrische Präludien stehen neben zeittypischen Tänzen (Walzer, Tango, Polka, Mazurka), aber auch neben erweiterten Tonleiterstudien und Miniaturen im Stil gelöster Harmonielehreaufgaben. Hegel hat bei diesen 35 Werken den Fingersatz etwas vereinfacht, auch wenn ihm bewusst ist, wie er im Vorwort schreibt, dass der originale Fingersatz „die Stücke gewissermaßen veredelt“.
Tárregas kompositorisches Vermächtnis lässt sich gut in den fünf Stücken zusammenfassen, die Hegel durch seine Arrangements von der Mittel- auf die Unterstufe heruntergefahren hat: Lágrima und Adelita (jeweils in eine andere Tonart übertragen und dadurch in die erste Lage versetzt), Recuerdos de la Alhambra (hier ohne Tremolo), Cap­richo arabe (nur der erste Teil) sowie Gran Vals (mit dem bekannten Jingle eines Handyherstellers, hier harmonisch ausgedünnt und formal gekürzt). Diese wirklich gelungenen lyrischen Charakterstücke auch für einen Schüler der Unterstufe spielbar gemacht zu haben, ist eine gute Idee Hegels und vielleicht ein Weg, den er auch mit anderen Komponisten weiterverfolgen kann.
Jörg Jewanski