Jarrett, Keith
The Melody At Night, With You
Arrangements für Klavier
Keith Jarrett (*1945) wird den meisten seit den 1970er Jahren als Jazzpianist mit seiner einzigartigen Improvisationskunst vertraut sein. Das vorliegende Notenheft enthält elf Arrangements – genau ausnotiert durch Friedrich Grossnick –, die aufschlussreiche Einblicke in Jarretts improvisatorischen Stil geben.
Der Klaviersatz ist akkordisch dicht und vollgriffig und von versierten PianistInnen gut zu bewältigen. Manches erinnert an Barmusik, anderes an die Improvisationen aus Jarretts Glanzzeit: den „Soloconcerts Bremen/Lausanne“ (1973) und „The Köln Concert“ (1975): Angenehm klingende Jazz-Balladen in einem mit eigenen Emotionen versehenen, künstlerisch ausgeprägten, charakteristischen Personalstil.
Bei der Sammlung The melody at night, with you sticht besonders das Arrangement I got it bad and that ain’t good (Webster/Ellington) hervor. Aus dem chromatisch getränkten Akkordsatz löst sich die rechte Hand in immer freier werdenden Rhythmen zu perlenden Läufen und koloriert in ausschweifenden Klanggirlanden die stoisch durchgehaltenen Grundharmonien und Bewegungsmuster der linken Hand.
Something to remember you by (Arthur Schwartz) erklingt zunächst in einem schlichten fünfstimmigen Akkordsatz, der anschließend rhythmisch verdichtet wird und zu spannenden polyrhythmischen Wendungen führt.
Sowohl rhythmisch als auch harmonisch sehr ansprechend ist das Arrangement zu I’m through with love (Malnek/Livingston). Die zahreichen chromatischen Durchgänge geben dem Stück eine gewisse Geschmeidigkeit und Eleganz.
Weitere Titel sind zwei Bearbeitungen zu George Gershwin, darunter sein I loves you Porgy mit den für Barmusik typischen Arpeggien und Traditionals wie My wild irish rose. An Oscar Levants Blame it on my youth schließt eine zweiseitige Meditation Jarretts an, die allerdings in ihrer stupiden harmonischen Eintönigkeit wenig überzeugt.
Der Notentext überzeugt durch einen gut lesbaren Notensatz und ist durchgehend mit den genretypischen Akkordsymbolen versehen (nur auf Seite 44 beim Traditional Shenandoah haben sich vier Viertelpausen zwischen die Notensysteme verirrt). Für erfahrene KlavierspielerInnen mit entsprechend großen Händen ist alles gut spielbar. Irritierend hingegen sind die häufigen Rubato-Hinweise. Eine komplexe Rhythmik, wie sie in diesen Stücken zumeist vorkommt, lässt das eigendlich nicht zu. Die Intention von Keith Jarrett war dabei sicherlich, beim Spielen den Charakter einer Improvisation zu erreichen. Wer dabei alles im Notentext ernst nimmt, wird vor Probleme gestellt. Am besten wäre es, selbst über die Titel zu improvisieren und die Arrangements von Jarrett als durchaus inspirierende Ideengeber hinzuzunehmen.
Christoph J. Keller